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24.01.2022

Das Wichtigste, was Sie zum neuen Kaufrecht wissen müssen

Seit Anfang des Jahres sind weitreichende Änderungen im deutschen Kaufrecht in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hat hiermit die europäischen Vorgaben umgesetzt und das deutsche Kaufrecht an das digitale Zeitalter angepasst. Mit diesem Beitrag können Sie sich einen ersten Überblick über die wichtigsten Änderungen verschaffen, um die notwendigen Anpassungen bei Ihren Verkaufsprozessen und Verträgen anzugehen. Wir geben Ihnen hier wertvolle Tipps mit an die Hand.

Das Wichtigste im Überblick:

  • Neue Vertragsart: Mit den §§ 327 ff. BGB hat der Gesetzgeber nunmehr für den B2C-Bereich den „Vertrag über digitale Produkte“ speziell geregelt.
  • Angepasster Mangelbegriff: Der Mangelbegriff in § 434 BGB wurde verändert.
  • (Noch) stärkerer Verbraucherschutz: Für den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) hat der Gesetzgeber das Verbraucherschutzniveau weiter verstärkt (u.a. Beweislastumkehr von 1 Jahr; Aktualisierungspflicht für digitale Produkte; Verjährungsablaufhemmung; Sonderbestimmungen für Garantien)

Verträge über digitale Produkte als neue Vertragsart

Für Verbraucherverträge (nicht B2B!), die die entgeltliche Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen (digitale Produkte) durch den Unternehmer zum Gegenstand haben, gelten seit dem 1. Januar 2022 die §§ 327 ff. BGB. Der Gesetzgeber hat hier umfangreiche Sonderregelungen für diese Art von Verträgen neu geregelt. Von Struktur und Inhalt stimmen diese im Wesentlichen jedoch mit denen des allgemeinen Verbrauchsgüterkaufrechts und deren rechtlicher Behandlung überein.

Zu beachten ist, dass für Verbraucherkaufverträge über Waren, die mit digitalen Produkten derart verbunden sind, dass die Ware ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen könnte (z.B. Smartphone mit Betriebssystem), die §§ 327 ff. BGB keine Anwendung finden, sondern die §§ 433 ff. BGB sowie §§ 474 ff. BGB. Im umgekehrten Fall (z.B. Fahrzeug mit Navigationsdienst) sind bezüglich der digitalen Produkte (z.B. Navigationsdienst) §§ 327 ff. BGB und bezüglich der Ware (z.B. Fahrzeug) die §§ 433 ff. und §§ 474 ff. BGB anzuwenden.

Weitergehende Informationen zum neuen Vertrag über digitale Produkte finden Sie hier.

Die mangelhafte Kaufsache ab 1. Januar 2022

Durch die Neufassung des § 434 BGB ist künftig eine Kaufsache mangelfrei, wenn sie sowohl die subjektiven (Vereinbarungen über Merkmale, Eigenschaften, Verwendung) als auch die objektiven Anforderungen (übliche Verwendungseignung, übliche Beschaffenheit vergleichbarer Produkte auf dem Markt, zu erwartendes Zubehör und Anleitungen etc., § 434 Abs. 3 BGB) vorliegen. Diese müssen nun in Abweichung zum bisherigen Kaufrecht beide gleichermaßen vorliegen, damit die Kaufsache mangelfrei ist.

Das bedeutet für die Praxis, dass stets fortlaufend zu überprüfen ist, ob die eigenen Produkte den marktüblichen Standards (noch) genügen und sofern dies nicht der Fall sein sollte, sind negative Beschaffenheitsvereinbarungen (= Vereinbarung, dass die Sache ein üblicherweise zu erwartendes Merkmal xy nicht erfüllt) zu treffen. Im B2B- oder C2C-Bereich ist dies unproblematisch möglich, doch bestehen im B2C-Bereich Hürden, auf die Sie sich vorbereiten sollten. Nach § 476 Abs. 1 S. 2 BGB können negative Beschaffenheitsvereinbarungen nämlich nur noch ausdrücklich und gesondert getroffen werden sowie nur nach individueller Information des Verbrauchers über die negative Abweichung des Produkts von den objektiven Anforderungen. Negative Abweichungen des Produkts können daher nicht mehr nur zusammen mit sonstigen Eigenschaften im Produktdatenblatt oder in AGB aufgeführt werden. In der Praxis wird es daher ratsam sein, im Falle des Falles eine gesonderte Anlage hierfür anzufertigen, diese vom Käufer unterzeichnen zu lassen und durch einen Verweis in den Kaufvertrag miteinzubeziehen. Zwar ist eine solche Vereinbarung theoretisch auch stillschweigend möglich, jedoch ist eine schriftliche Fixierung aus Beweisgründen dringend zu empfehlen. Im Online-Handel wird wohl wie bei der Einbeziehung von AGB mit einem separaten Kästchen zum Anklicken inkl. Link zur entsprechenden Anlage zu verfahren sein. Natürlich immer nur dann, wenn auch eine negative Beschaffenheitsvereinbarung erforderlich ist. Der erste Schritt sollte daher hier eine Überprüfung der einzelnen Produkte anhand der Marktstandards sein.

Kosten der Rücksendung einer mangelhaften Sache

Neu ist bei der Nachbesserung oder Nachlieferung mangelhafter Waren, dass die Kosten der Rücksendung der mangelhaften Ware nun der Verkäufer zu tragen hat. Dies gilt für sämtliche Kaufverträge, egal ob diese zwischen Unternehmern (B2B) oder zwischen Unternehmern und Verbrauchern (B2C) geschlossen wurden.

Stärkerer Verbraucherschutz in den §§ 474 ff. BGB

Zentrale Herausforderungen für Unternehmer liegen in den Neuregelungen des Verbrauchsgüterkaufrechts (§§ 474 ff. BGB) und der damit einhergehenden signifikanten Stärkung des Verbraucherschutzes. Näheres in den folgenden Absätzen.

Aktualisierungspflicht der digitalen Elemente

Neu ist unter anderem für Verbrauchsgüterkaufverträge über Waren mit digitalen Elementen, dass der Unternehmer nun gem. § 475b Abs. 2 bis 4 BGB zur Aktualisierung der digitalen Elemente verpflichtet ist, ohne dass er hierfür ein erneutes Entgelt verlangen darf. Kommt der Unternehmer dieser Pflicht nicht nach, ist die Kaufsache mangelhaft und der Verbraucher kann Gewährleistungsrechte geltend machen.

Unterlässt der Verbraucher die Aktualisierung oder führt er diese unsachgemäß aus, so haftet der Unternehmer nach neuer Rechtslage auch dann für diesen Umstand, wenn er den Verbraucher zuvor nicht über die Verfügbarkeit der Aktualisierung und die Folgen der unterlassenen Installation informiert hat und die fehlerhafte Installation nicht auf einer fehlerhaften Installationsanleitung beruht. Es ist daher unbedingt in Zukunft darauf zu achten, die erforderlichen Informationen bereitzustellen, um eine Haftung in diesen Fällen zu vermeiden.

Zu beachten ist hier zudem, dass diese Pflicht mittelbar über den möglichen sog. Lieferantenregress auch und vor allem den Hersteller derartiger Waren trifft. Es ist in diesem Zusammenhang entscheidend, dass die Lieferverträge entsprechende Regelungen zur praktischen Umsetzung enthalten. So ist z.B. zu regeln, wer den Verbraucher über zur Verfügung stehende Updates zu informieren hat.

Kenntnis des Verbrauchers von Mängeln bei Vertragsschluss und ihre (neuen) Folgen

Eine echte Überraschung ist die Neufassung des § 475 Abs. 3 BGB, wonach beim Verbrauchsgüterkauf die positive Kenntnis des Verbrauchers von Mängeln bei Vertragsschluss nicht dazu führt, dass dieser seine Gewährleistungsrechte verliert. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Verbraucher auf diese Mängel hingewiesen wurde und eine gesonderte negative Beschaffenheitsvereinbarung (s.o.) getroffen wurde.

Gewährleistungszeitraum – keine starre Gewährleistungsfrist mehr

Weitere bedeutsame Neuerungen gelten im Bereich der Verjährungsvorschriften. Es bleibt zwar weiterhin möglich, die Verjährungsfrist bei Gebrauchtwaren auf 1 Jahr zu verkürzen. Allerdings muss diese nun wie bei negativen Beschaffenheitsvereinbarungen gesondert und ausdrücklich sowie unter Hinweis auf die konkreten Rechtsfolgen vereinbart werden. Insofern wird für derartige Vereinbarungen ebenfalls eine gesonderte Anlage als Teil des Kaufvertrages sinnvoll sein.

Darüber hinaus enthält das Gesetz nun zusätzlich eine sog. Ablaufhemmung. Galt bislang, dass sämtliche Mängelgewährleistungsansprüche für die meisten beweglichen Sachen grds. innerhalb von 2 Jahren ab Übergabe verjähren (Gewährleistungszeitraum), kann die Verjährung nun im Einzelfall auch erst nach 2 Jahren und 4 Monaten eintreten. Zeigt sich ein Mangel innerhalb des Gewährleistungszeitraums, tritt Verjährung der Ansprüche frühestens nach vier Monaten ab dem erstmaligen Auftreten des Mangels ein. Ist der Mangel also z.B. erst nach einem Jahr und 11 Monaten aufgetreten, so verjähren die Ansprüche nicht nach 2 Jahren ab Übergabe der Kaufsache, sondern nach 2 Jahren und 3 Monaten (1 Jahr 11 Monate + 4 Monate).

Mängelansprüche nach erfolgter Nacherfüllung oder nach Erfüllung von Garantiearbeiten verjähren zudem frühestens nach 2 Monaten ab Übergabe der nachgebesserten Ware, § 475e Abs. 4 BGB.

Neue Anforderungen an Garantieerklärungen

Für Garantien gelten bei Verbraucherverträgen nun ebenfalls verschärfte Anforderungen nach § 479 BGB. Sofern Garantieerklärungen abgegeben werden, müssen diese zwingend an die Anforderungen angepasst werden. Ansonsten drohen u.a. Schadensersatzansprüche der Verbraucher.

Beweislastumkehr

Die bereits bisherige Beweislastumkehr in § 477 Abs. 1 BGB wurde auf 1 Jahr angehoben, sofern diese nicht mit der Art des Mangels oder Art der Ware unvereinbar ist (z.B. leicht verderbliche Waren oder ggf. bei Verschleiß). Tritt also innerhalb eines Jahres nach Übergabe der Sache ein Mangel der Kaufsache zu Tage, wird vermutet, dass dieser schon bei Übergabe vorlag. Kann der Gegenbeweis nicht angetreten werden, hat der Käufer die Möglichkeit, seine Mängelgewährleistungsrechte geltend zu machen.

Noch weiter geht die Beweislastumkehr bei Waren mit digitalen Elementen, die zur dauerhaften Bereitstellung überlassen werden. Hier beträgt der Zeitraum 2 Jahre.

Regressansprüche des Verkäufers innerhalb der Lieferkette

Im Zuge der Neuregelungen im Verbraucherrecht wurden auch die Regressvorschriften entsprechend angepasst und erweitert. Weiterhin gilt, dass Kosten im Zusammenhang mit der Gewährleistung für Produkte innerhalb der Lieferkette nach oben an den Hersteller weitergereicht werden können. Die bisherige Verjährungshöchstfrist von 5 Jahren wurde ersatzlos gestrichen.

Was ist also jetzt zu tun?

Als erstes sollten die bestehenden Vertragsmuster überprüft und angepasst werden. Mit Blick auf die zwingenden Verbrauchervorschriften muss zunächst untersucht werden, ob die Vertragsklauseln den Regelungen der §§ 474 ff. BGB widersprechen oder diese möglicherweise umgehen. In beiden Fällen läge ein Verstoß gegen die zwingenden Verbraucherschutzvorschriften vor und Sie könnten sich nicht auf die entsprechende Klausel berufen. Etwaige Verjährungskürzungen sind im B2C-Bereich entsprechend zu streichen bzw. anzupassen, soweit sie die Mängelansprüche (ausgenommen Schadensersatz) betreffen. Etwaige Garantieerklärungen sind an die aktuellen Mindeststandards anzupassen.

Darüber hinaus sollten für den Verkehr mit Verbrauchern die angesprochenen Vertragsanlagen erstellt und die Prozesse entsprechend angepasst werden. Werden Waren mit digitalen Elementen oder rein digitale Produkte verkauft, sind die Prozesse um die notwendigen Maßnahmen mit Blick auf die Aktualisierungspflicht und die zu vermittelnden Informationen ebenfalls entsprechend anzupassen.

Sollten Sie hierbei Unterstützung benötigen, stehen wir Ihnen natürlich gerne jederzeit beratend zur Seite.

Autoren: Christopher Harten, Oliver Korte, Christine Lingenfelser

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