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16.10.2024

Beschluss des Entwurfs für den „Reformstaatsvertrag“ – Neue Strukturen für das öffentlich-rechtliche Programm

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die Aufgabe, „als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der ökonomischen Anreize folgt und damit eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnet“ – so schreibt es das Bundesverfassungsgericht in seiner Beitragsentscheidung aus dem Jahr 2021. Seine Aufgabe vermag der öffentlich-rechtliche Rundfunk aber sinnvoll nur mit der gesellschaftlichen Akzeptanz seines Programms und seiner Struktur zu erfüllen. An Beidem wuchs in den vergangenen Jahren die Kritik - ohne dass sich daraus größere Reformen ergaben. Dabei ist es der Gesetzgeber, der mit dem Medienstaatsvertrag die Grundlage für das Programm und die Programmstruktur legt.

Mit dem Beschluss des sog. „Reformstaatsvertrag“ durch die Regierungschefs und Regierungschefinnen am 25. Oktober 2024 reformiert der Gesetzgeber die öffentlich-rechtliche Programmstruktur – und reduziert insbesondere die Zahl öffentlich-rechtlicher Fernseh- und Hörfunkprogramme erheblich.

 

Im Einzelnen:

 

1.         Reduzierung öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme

Die lineare Programmstruktur soll nach Ablauf eines Übergangszeitraums bis zum 1. Januar 2027 nach Schwerpunktkörben sortiert und die Zahl öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme reduziert werden:

  • Schwerpunktkorb „Kultur & International“: 

    Das Programm „3sat“ bleibt vorerst bestehen und soll perspektivisch in das Vollprogramm „arte – Der europäische Kulturkanal“ überführt werden. Ziel ist die Schaffung eines europäischen Angebots.

  • Schwerpunktkorb „Bildung, Dokumentation, Information“: 

    Die vier Spartenprogramme „ARD-alpha“, „ZDFinfo“, „tagesschau24“ und „PHOENIX“ sollen in zwei Angeboten gebündelt werden.  

  • Schwerpunktkorb „Junge Menschen“:

    Für die jüngeren Teile der Bevölkerung soll es ein „öffentlich-rechtliches Angebotsportfolio“ geben, das sich in seinen Einzelangeboten an die Bedürfnisse und Interessen der jeweiligen Altersgruppe ausrichtet. Bestehen soll das Portfolio aus einem Angebot für Kinder bis 13 Jahre (derzeit „KiKa“), einem Angebot für junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren (derzeit „funk“ als reines Online-Angebot) und einem Angebot für jüngere Erwachsene ab 30 Jahren (derzeit „ZDFneo“ und „ONE“).

Bis spätestens zum 1. Januar 2033 sollen die verbleibenden Spartenprogramme aus den Schwerpunktkörben zudem in reine Online-Angebote überführt werden. Die Zukunft der Schwerpunktprogramme liegt damit im Online-Bereich. Unangetastet bleiben von der Reform neben „Das Erste“ und „ZDF“ die Dritten Programmen der ARD.

 

2. Reduzierung öffentlich-rechtlicher Hörfunkprogramme

Mit dem Reformstaatsvertrag reduziert der Gesetzgeber auch die Zahl öffentlich-rechtlicher Hörfunkprogramme erheblich. Künftig soll jede öffentlich-rechtliche Anstalt maximal vier Hörfunkprogramme veranstalten dürfen, jeweils zuzüglich eines Programms pro volle sechs Millionen Einwohner im Sendegebiet. Von den derzeit bestehenden 69 verblieben nur 53 öffentlich-rechtliche Hörfunkprogramme.

Mit dem vorgegebenen Mindestbestand von vier öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogrammen sollen die Anstalten in der Lage bleiben, die Schwerpunkte Pop, Jugend, Kultur und Information zu bedienen. Eine Pflicht hierzu besteht nicht. Den Anstalten steht es frei, innerhalb ihres Programmkontingents eigene Schwerpunkte zu setzen. 

Auch für die Hörfunkprogramme gilt die Umsetzungsfrist bis zum 01. Januar 2027.

 

3. Konkretisierter Online-Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Im Online-Bereich sollen die öffentlich-rechtlichen Anstalten noch enger miteinander zusammenarbeiten und ihre Inhalte und Angebote noch enger miteinander vernetzen. Ziel ist ein gemeinsamer öffentlich-rechtlicher „Public Open Space“, der wohl kaum noch nach der Herkunft eines öffentlich-rechtlichen Inhalts unterscheidet. Die Notwendigkeit eigenständig stehender Portale sollen die Anstalten künftig spezifisch begründen müssen.

 

Wie bisher dürfen die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht presseähnlich sein, müssen also im Schwerpunkt mittels Bewegtbild oder Ton gestaltet sein. Bezugspunkt der Regelung ist aber nicht mehr das gesamte Online-Angebot der jeweiligen Anstalt, sondern das jeweilige Portal. Eine sog. „Positivliste“ gibt zudem vor, in welchen Ausnahmefällen eine Textnutzung (vor allem im Kernbereich des öffentlich-rechtlichen Informationsauftrags) zulässig ist – etwa im Zusammenhang mit Schlagzeilen zu aktuellen Ereignissen, Faktenchecks und Live-Tickern. Zulässig sind weiterhin auch sendungsbegleitende Texte, wobei der Reformstaatsvertrag nun konkret vor-gibt, wann ein Sendungsbezug vorliegt. Nach der sog. „Aktualitätsklausel“ soll etwa die Sendung, auf die der Textbeitrag Bezug nimmt, nicht älter als vier Wochen sein. 

 

Fazit
Mit dem Reformstaatsvertrag wird die Zahl öffentlich-rechtlicher Fernseh- und Hörfunkprogramme perspektivisch reduziert und der öffentlich-rechtliche Online-Auftrag weiter konkretisiert. Die Anstalten stehen damit vor umfangreichen Reformen in ihrer Programmstruktur. Spannend bleibt, ob die Reformen geeignet sind, die Akzeptanz der Bevölkerung und ihr Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stärken.

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