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16.10.2024

Der Entwurf des „Reformstaatsvertrags“ – neue Strukturen für das öffentlich-rechtliche Programm

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die Aufgabe, „als Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der ökonomischen Anreize folgt und damit eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnet“ – so schreibt es das Bundesverfassungsgericht in seiner Beitragsentscheidung aus dem Jahr 2021. Seine Aufgabe vermag der öffentlich-rechtliche Rundfunk aber sinnvoll nur mit der gesellschaftlichen Akzeptanz seines Programms und seiner Struktur zu erfüllen. An Beidem wuchs in den vergangenen Jahren die Kritik - ohne dass sich daraus größere Reformen ergaben. Dabei ist es der Gesetzgeber, der mit dem Medienstaatsvertrag die Grundlage für das Programm und die Programmstruktur legt.

Mit dem Entwurf des sog. „Reformstaatsvertrag“, den die Rundfunkkommission der Länder am 26. September 2024 zur öffentlichen Anhörung freigegeben hat, soll nun die lang erwartete Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kommen. Mit ihr reformiert der Gesetzgeber auch die öffentlich-rechtliche Programmstruktur – und reduziert insbesondere die Zahl öffentlich-rechtlicher Fernseh- und Hörfunkprogramme erheblich.

 

Im Einzelnen:

 

1. Reduzierung öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme

Die lineare Programmstruktur soll nach Ablauf eines Übergangszeitraums zum 1. Januar 2027 nach Schwerpunktkörben sortiert und die Zahl öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme reduziert werden:

  • Schwerpunktkorb „Kultur & International“:
    Das Programm „3sat“ entfällt. Seine Inhalte werden vollständig oder teilweise in „arte“ überführt. 

     

  • Schwerpunktkorb „Bildung, Dokumentation, Information“:
    Die vier Spartenprogramme „ARD-alpha“, „ZDFinfo“, „tagesschau24“ und „PHOENIX“ sollen zu einem oder zu zwei (noch offen) Fernsehprogrammen zusammengeführt werden. 

 

  • Schwerpunktkorb „Junge Menschen“
    Für die jüngeren Teile der Bevölkerung soll es künftig ein „öffentlich-rechtliches Angebotsportfolio“ geben, das sich in seinen Einzelangeboten an die Bedürfnisse und Interessen der jeweiligen Altersgruppe ausrichtet. Bestehen soll das Portfolio aus einem Angebot für Kinder bis 13 Jahre (derzeit „KiKa“) und einem Angebot für junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren (derzeit „funk“ als reines Online-Angebot). Offen ist noch, ob es ein zusätzliches Angebot für jüngere Erwachsene ab 30 Jahren (derzeit „ZDFneo“ und „ONE“) geben oder, ob diese Programme gänzlich entfallen sollen.

Bis spätestens zum 1. Januar 2033 sollen die verbleibenden Spartenprogramme aus den Schwerpunktkörben zudem in reine Online-Angebote überführt werden. Die Zukunft digitaler Schwerpunktprogramme liegt damit im Online-Bereich. Unangetastet bleiben von der Reform neben „Das Erste“ und „ZDF“ die Dritten Programmen der ARD.

 

2. Reduzierung öffentlich-rechtlicher Hörfunkprogramme

Mit dem Reformstaatsvertrag reduziert der Gesetzgeber auch die Zahl öffentlich-rechtlicher Hörfunkprogramme erheblich. Künftig soll jede öffentlich-rechtliche Anstalt maximal vier Hörfunkprogramme veranstalten dürfen, jeweils zuzüglich eines Programms pro volle sechs Millionen Einwohner im Sendegebiet. Von den derzeit bestehenden 69 verblieben nur 53 öffentlich-rechtliche Hörfunkprogramme.

Mit dem vorgegebenen Mindestbestand von vier öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogrammen sollen die Anstalten in der Lage bleiben, die Schwerpunkte Pop, Jugend, Kultur und Information zu bedienen. Eine Pflicht hierzu besteht nicht. Den Anstalten steht es frei, innerhalb ihres Programmkontingents eigene Schwerpunkte zu setzen. 

 

3. Konkretisierter Online-Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Im Online-Bereich sollen die öffentlich-rechtlichen Anstalten noch enger miteinander zusammenarbeiten und ihre Inhalte und Angebote noch enger miteinander vernetzen. Ziel ist ein gemeinsamer öffentlich-rechtlicher „Public Open Space“, der wohl kaum noch nach der Herkunft eines öffentlich-rechtlichen Inhalts unterscheidet. Der Betrieb eigenständig stehender öffentlich-rechtlicher Portale wie Apps, Mediatheken oder Webradios soll entsprechend verschärft werden. Die Notwendigkeit eigenständiger Portale sollen die Anstalten künftig spezifisch begründen müssen.

Noch restriktiver als zuvor sollen die öffentlich-rechtlichen Anstalten zudem „presseähnliche“ Inhalte, also geschriebene Texte, in Online-Angeboten veröffentlichen dürfen. Seit Jahren gehen Zeitungsverlage gegen eine entsprechende Beauftragung im Medienstaatsvertrag vor. Auch vor diesem Hintergrund sind seit 2018 öffentlich-rechtliche Online-Angebote im Schwerpunkt gesetzlich vorgegeben in Bewegtbild oder Ton zu gestalten. Konsequenter als bisher und von wenigen Sonderfällen abgesehen sollen Online-Angebote in Textform nur noch sendungsbezogen zulässig sein, wobei der Reformstaatsvertrag nun selbst vorgibt, wann ein solcher Sendungsbezug vorliegt. Nach der sog. „Aktualitätsklausel“ soll etwa die Sendung, auf die der öffentlich-rechtliche Textbeitrag Bezug nimmt, nicht älter als zwei Wochen sein.

 

Fazit
Mit dem Reformstaatsvertrag soll die Zahl öffentlich-rechtlicher Fernseh- und Hörfunkprogramme reduziert und der öffentlich-rechtliche Online-Auftrag weiter konkretisiert werden. Die Anstalten stehen damit vor umfangreichen Reformen in ihrer Programmstruktur. Spannend bleibt, wie sich die geplanten Reformen im Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks selbst auswirken und, ob sie geeignet sind, die Akzeptanz der Bevölkerung und ihr Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stärken.

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