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21.10.2022

Einmal hin, weniger drin – "Shrinkflation" aus Sicht des UWG

Höhere Preise für Alltagsprodukte sind aufgrund der Inflation aktuell überall zu beobachten. Umso mehr freut es beim Gang in den Supermarkt, wenn die Lieblingskekse oder die gewohnte Tagescreme doch noch dasselbe wie vor Ukrainekrieg und Gaskrise kosten. Trotzdem müssen auf den ersten Blick unveränderte Preise nicht immer bedeuten, dass tatsächlich keine Preisanhebungen vorgenommen wurden. Denn immer häufiger machen sich Unternehmen die sog. „Shrinkflation“ zunutze. Aus Sicht des Wettbewerbsrechts ist dabei Vorsicht geboten.

Worum geht es bei der „Shrinkflation“?

Der Begriff Shrinkflation setzt sich aus den englischen Begriffen „shrink“ (schrumpfen) sowie „inflation“ zusammen. Er bezeichnet die vor allem in Zeiten der Inflation gängige Praxis, Verpackungsgrößen von Produkten zu verkleinern und zugleich den Preis auf unverändertem Niveau zu belassen.

Damit können Unternehmen also Preise anheben, ohne Artikel neu bepreisen zu müssen – öffentlichkeitswirksame Preiserhöhungen lassen sich so vermeiden. Aus Verbrauchersicht fällt dies oft umso weniger auf, als die Änderung der Verpackungsgröße häufig zusammen mit zusätzlichen Neugestaltungen umgesetzt wird. Die so entworfenen Verpackungen werden umgangssprachlich daher auch als „Mogelpackungen“ bezeichnet.

Was müssen Werbetreibende und Unternehmen beachten?

Auch wenn es sich bei der „Shrinkflation“ um eine gängige Praxis handelt, sind Unternehmern hierbei Grenzen gesetzt. Denn Mogelpackungen können unter Umständen gegen das Irreführungsverbot nach § 5 UWG sowie gegen § 43 Abs. 2 MessEG verstoßen. Danach sind Fertigverpackungen unzulässig, die ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vortäuschen als tatsächlich enthalten ist.

Wie so oft im Wettbewerbsrecht ist das eine Frage des Einzelfalls. Dabei kommt es entscheidend darauf an, welche Vorstellung beim Durchschnittsverbraucher durch die Verpackung über die jeweilige Füllmenge hervorgerufen wird. Anhand bisheriger Gerichtsentscheidungen lassen sich hierbei aber Leitlinien aufstellen, an denen sich Unternehmen orientieren können.

  • Im Regelfall erwartet der Durchschnittsverbraucher, dass die Verpackung im angemessenen Verhältnis zu der darin letztlich tatsächlich enthaltenen Füllmenge des Produkts steht. Ihm ist dabei bewusst, dass verschiedene Produkte verschiedene Füllmengen aufweisen können. So ist die Verkehrserwartung bei eingeschweißtem gemahlenem Kaffee etwa eine andere als bei einer Tüte Chips. Besondere Vorsicht ist jedoch geboten, wenn Verbraucher mit einem Produkt noch nicht hinreichend vertraut sind (vgl. zu damals neuen Kaffeepads OLG Hamburg, Urteil vom 14. 4. 2004 - 5 U 127/03).
  • Ein Irrtum kann nicht allein durch die Angabe der Füllmenge auf der Verpackung ausgeschlossen werden. Die Gerichte gehen davon aus, dass der Verbraucher Alltagsprodukte in der Regel durch einen bloß flüchtigen Blick wahrnimmt.
  • Bei bestimmten Produktarten geht der Verbraucher zudem von übermäßig großen Verpackungen aus – zumindest bis zu einem gewissen Grad. Dies gilt z. B. bei Parfumflaschen, Cremes oder Pralinen in Geschenkverpackungen.

Nach Ansicht des BGH (Urt. v. 11.10.2017 – I ZR 78/16) beachtet der Durchschnittsverbraucher bei Lebensmitteln und Kosmetikprodukten zudem regelmäßig nicht nur die Vorderseite der Verpackung, sondern auch an anderer Stelle angebrachte Informationen. Dies liegt daran, dass bei diesen Produkten nähere Angaben (z. B. zu Inhaltsstoffen) von Interesse sind. Findet sich dort ein Hinweis auf die Originalgröße oder –füllmenge (z. B. durch eine Abbildung der Innenverpackung), liegt keine Irreführung vor.

Ohne einen solchen Hinweis liegt ein Verstoß allerdings nahe. So wurde etwa die runde Verpackung eines Frischkäses als unzulässig angesehen, dessen Plastikeinsatz von außen nicht zu sehen nach unten hin dünner wurde und über eine seitliche Einbuchtung verfügte (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. 11. 2012 - 4 U 156/12).

  • Auch die sonstige Art und Gestaltung der Verpackung kann einen Unterschied machen. Lässt sich der tatsächliche Verpackungsinhalt etwa durch Sichtfenster oder weiches Verpackungsmaterial zum Ertasten erkennen, scheidet eine Irreführung aus. Beispiel hierfür sind durchsichtige Gewürzverpackungen mit Lufteinschlüssen (OLG Frankfurt, Urteil vom 21. 10. 2008 - 14 U 240/07).
  • Die technische Bedingtheit oder Notwendigkeit der Verpackungsgröße räumt einen Wettbewerbsverstoß für sich genommen nicht automatisch aus. Eine Zulässigkeit kommt aber in Frage, wenn der Unternehmer alles getan hat, um eine Irreführung auszuschließen und das Interesse an einer technisch fortschrittlichen Verpackungsgestaltung ausnahmsweise überwiegt.

Mögliche Konsequenzen: Was droht bei einem Verstoß?

Unlautere geschäftliche Handlungen können Beseitigungs-, Unterlassungs- sowie Schadensersatzansprüche nach sich ziehen – von Wettbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden.

Doch auch im Fall rechtlich zulässiger Mogelpackungen sollten Unternehmen umsichtig vorgehen: Verbraucher können solche Mogelpackungen an die Verbraucherzentralen melden. Das Shitstorm-Potenzial sollte man also immer im Blick haben.  

Mitarbeit: Charlotte Petrasch, Rechtsreferendarin

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