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19.03.2024

ESG Teil 3 – ESG als Geschäftsführungsaufgabe

Wir hatten bereits in unseren vorherigen Artikeln zum Thema ESG gezeigt (Teil 1 und Teil 2), dass Schlagworten wie Corporate Social Responsibility, Nachhaltigkeit oder ESG (Environmental Social Governance) für Unternehmen erheblich an Bedeutung gewonnen haben und sich damit zu einem geradezu wohltuenden Gegenmodell zum Shareholder Value-Prinzip entwickelt haben. Dass die Abkehr vom Shareholder Value-Fokus hin zu mehr Nachhaltigkeit nicht automatisch mit Wertverlust gleichzustellen ist, hatten wir auch schon gezeigt. Hier wollen wir nun die Frage beleuchten, ob eine Unternehmensleitung frei über den Vorrang von Nachhaltigkeit vor Shareholder Value entscheiden darf.

Selbstverständlich kann in inhabergeführten Unternehmen der Inhaber nach eigenem Gutdünken entscheiden, inwieweit er sein Unternehmen stärker an übergreifenden Allgemeininteressen ausrichten und sein eigenes Gewinninteresse dahinter zurücktreten lassen möchte. Schwieriger ist es jedoch, wenn, wie so oft, ein Unternehmen von einer Fremdgeschäftsführung bzw. einem Fremdvorstand geleitet wird und diese primär das Wohl der Gesellschafter bzw. der Aktionäre im Augen haben muss. Die Frage ist also, ob und wieweit diese sich über das Shareholder Value-Prinzip hinwegsetzen und dem Gemeinwohl bzw. der Nachhaltigkeit den Vorrang einräumen dürfen.

Ermessensspielraum und Legalitätspflicht

Die Ausrichtung eines Unternehmens an ESG liegt als strategische Leitungsentscheidung grundsätzlich im Aufgaben- und Kompetenzbereich der Geschäftsführung bzw. des Vorstands, allerdings unter Berücksichtigung des Stakeholder-Interesses und dem Unternehmenswohl. Gleichzeitig unterliegt die Unternehmensführung der sog. Legalitätspflicht und ist damit stets an Recht und Gesetz gebunden, unabhängig von den Wünschen und Ansichten der Gesellschafter / Aktionäre (z. B. das Verbot der Kinderarbeit).

Dort aber, wo und soweit kein zwingendes Recht besteht, es sich also um klassische Geschäftsführungsaufgaben handelt, besteht für die Unternehmensleitung ein Ermessensspielraum dahingehend, wieviel sich das Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit einsetzen möchte. Dabei wird diese, von der sog. Judgement Rule (§ 93 AktG) bestimmte Entscheidungsabwägung auf Basis sauber ermittelter Kosten, Nutzen und Risiken im Bereich ESG vor allem um die Berücksichtigung ethischer Maßstäbe ergänzt.

Darüber hinaus sind heute immaterielle Faktoren wie insbesondere mögliche medialer Nutzen und positive Werbeeffekte zu berücksichtigen, weil die Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (siehe Teil 2) bewirken, dass viele Unternehmen sich dem Thema nun auch vermehrt öffentlichkeitswirksam stellen müssen. Auf der anderen Seite stehen Risiken einer möglichen negativen Presse, wenn ein Unternehmen eklatant gegen die vorherrschenden ethischen Vorstellungen der Allgemeinheit verstößt oder eigenen öffentlichen Versprechungen zur Nachhaltigkeit nicht genügt, denn die „Skandalpresse“ greift Fälle des sog. Greenwashing (vgl. Teil 2) inzwischen mit großer Freude auf. Nachhaltigkeit kann und darf also kein Lippenbekenntnis sein, sondern muss aufgrund seiner Brisanz auf Basis eines einheitlichen Nachhaltigkeitskonzeptes von der Geschäftsleitung mit großer Sorgfalt vorbereitet, implementiert und kontrolliert werden.

Nachhaltigkeitsentscheidung und Corporate Governance

Im Rahmen der Planung und Umsetzung einzelner ESG-Maßnahmen muss die Unternehmensleitung die rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit einhalten, insbesondere solche aus Satzung, Geschäftsordnung und Anstellungsvertrag. Vor allem aber muss stets die Corporate Governance beachtet werden. Insbesondere ist die Geschäftsleitung bei ihren Entscheidungen für mehr Nachhaltigkeit vielfach von der Zustimmung der Gesellschafter bzw. Aktionäre abhängig (Zustimmungsvorbehalt). So sind beispielsweise energetische Sanierungsmaßnahmen, selbst wenn sie ökologisch und sogar wirtschaftlich positive Effekte für das Unternehmen haben, im Kern nichts anderes als Investitionen oder bauliche Maßnahmen, die in aller Regel der Zustimmung der Unternehmenseigentümer vorbehalten sind. Zudem müssen Ausgaben vielfach vorher in der Budgetplanung angesetzt und freigegeben werden. Selbst vergleichsweise einfaches Sponsoring für soziale Zwecke unterliegt oft einer individuellen Genehmigungspflicht. Soweit die Unternehmensleitung also einem Zustimmungsvorbehalt unterworfen ist, ist sie in ihrer Entscheidungsfreiheit begrenzt und muss für ESG-Maßnahmen zuvor die Eigentümer ins Boot holen und deren Zustimmung einholen.

Ethisch-politisch korrekt vs. rechtlich zulässig

Setzt sich die Geschäftsführung jedoch über den ihr gesetzten Handlungsrahmen hinweg, dann begeht sie eine Pflichtverletzung, die typischerweise einen Unternehmensschaden nach sich zieht, weil das Unternehmen – bei rechtmäßigem Verhalten der Geschäftsleitung – diese (zwar ethisch korrekten, aber wirtschaftlich nicht zwingenden) Ausgaben vielleicht nicht getätigt hätte. Vor der daraus erwachsenden Haftung vermögen auch moralische Erwägungen wie guter Wille oder gar eine „ESG-Konformität“ die Unternehmensführung nicht zu schützen, weil hieraus keine Rechtfertigung im Rechtssinne erwächst.

Ob eine konkrete ESG-Einzelmaßnahme von einer bereits erteilten, jedoch allgemein und pauschal formulierten Grundsatzentscheidung der Eigentümer (noch) gedeckt ist, ist vielfach eine riskante Auslegungssache, weshalb im Zweifel allgemeine Grundsatzbeschlüsse nicht als Freigabe genügen. Eine Rechtfertigung der Unternehmensführung mit dem Argument, die Gesellschafter hätten die Maßnahme vernünftigerweise doch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ohnehin freigeben müssen, dürfte aber kaum erfolgsversprechend sein, denn einen generellen Vorrang genießt die Nachhaltigkeit (noch) nicht und im Streitfall ist die innere Motivation regelmäßig nicht nachweisbar.

Ermessensspielraum der nachhaltigen Unternehmensführung

Sollte also eine konkrete ESG-Maßnahme keinem Zustimmungsvorbehalt unterliegen, keine konträre GmbH-Gesellschafterweisung vorliegen oder die absoluten Betriebsgrundlagen nicht so tiefgreifend verändern, dass eine ausschließliche Gesellschafterzuständigkeit begründet wird, dann steht die Entscheidung im Ermessensspielraum der Geschäftsführung.

Dennoch kann bei einer GmbH die Gesellschafterversammlung eine Entscheidung kraft ihrer Grundzuständigkeit jederzeit an sich ziehen und durch Weisung an die Geschäftsführung die Richtung vorgeben. Bei einer Kommanditgesellschaft (KG) steht den Kommanditisten dieses Weisungsrecht lediglich dann zu, wenn es gesellschaftsvertraglich verankert ist. Bei der Aktiengesellschaft (AG) wiederum scheitert eine Aktionärseinmischung hingegen an der Weisungsfreiheit des Vorstands.

ESG ist also – unter Beachtung der Gesellschaftsstatuten – Aufgabe der Unternehmensführung. Ein von der Geschäftsführung erstelltes Nachhaltigkeitskonzept sollte daher hinreichend detailliert und mit der übrigen Unternehmensplanung und dem Unternehmensbudget in Einklang gebracht sein. Dieses Konzept sollte zudem in den verschiedenen Einzelaspekten auf Zustimmungsbedürftigkeit untersucht und die Zustimmung gegebenenfalls eingeholt sein.

Es steht dem Leitungsorgan frei, eine Entscheidung bzw. ein Konzept im Zweifelsfall vorsorglich dem Aufsichtsorgan oder gar der Gesellschafter-/Aktionärsebene vorzulegen und sich so zuvor zu vergewissern, dass alle übrigen Gesellschaftsorgane mitziehen. Allerdings entbindet ein freigebender oder anweisender GmbH-Gesellschafterbeschluss die Geschäftsführung in weiten Teilen von ihrer Verantwortung.

Aus Sicht einer GmbH-Gesellschafterversammlung oder eines AG-Aufsichtsrates sollte jede neue ESG-Entwicklung regelmäßig Anlass sein, bestehende Zustimmungskataloge auf den Prüfstand zu stellen und zu überlegen, wieviel Entscheidungsspielraum Vorstand bzw. Geschäftsführung bleiben soll, um Mitspracherechte bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens auf Nachhaltigkeit zu verfestigen.

Geschäftsführende Gesellschafter, Geschäftsführung und Vorstand, aber auch Beiräte und Aufsichtsräte unterstützt Dr. Thomas Hausbeck. LL.M. und das ESG-Team von SKW Schwarz gerne bei der Einführung von ESG-Maßnahmen und einer Haftungsvermeidung.

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