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21.02.2024

"KI-Flash": Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beim Einsatz von ChatGPT?

Nachdem wir in unserem letzten KI-Flash über den Hinweis des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu den Auswirkungen des SCHUFA-Urteils auf KI-Anwendungen berichtet haben, möchten wir Ihnen auch weiterhin in regelmäßigen Abständen rechtliche Impulse mit auf den Weg geben. Da Zeit in der heutigen Gesellschaft ein rares Gut ist, wollen wir mit unseren „KI-Flash“ gleich auf den Punkt kommen und die rechtlichen Herausforderungen kurz und prägnant zusammenfassen:

Heutiges Thema: Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beim Einsatz von ChatGPT?

Immer mehr Unternehmen gestatten ihren Mitarbeiter*innen proaktiv die Nutzung generativer KI-Tools zur Unterstützung ihrer Arbeitstätigkeiten. Bei der Einführung von ChatGPT & Co. stellt sich allerdings die Frage, ob dem Betriebsrat hierfür ein Mitbestimmungsrecht zugutekommt. Nach einer aktuellen Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16.01.2024 (24 BV Ga 1/24) ist dies zu verneinen – allerdings war das konkrete Einsatzmodell des Unternehmens entscheidend.  

Sachverhalt
In dem vom ArbG Hamburg zu entscheidenden Fall wollte ein Unternehmen seinen Mitarbeiter*innen die Nutzung gängiger KI-Anwendungen wie ChatGPT im Rahmen ihrer Arbeitstätigkeit ermöglichen. Dazu veröffentliche es im Intranet entsprechende Guidelines, Richtlinien und ein Handbuch, um seine Mitarbeiter*innen über Art und Umfang der Nutzung von KI zu sensibilisieren und zu informieren. Darin wurde auch darauf hingewiesen, dass die mittels KI erzielten Arbeitsergebnisse entsprechend gekennzeichnet werden müssten. Das Unternehmen entschied sich allerdings dafür, den Mitarbeiter*innen entsprechende KI-Anwendungen nicht selbst zur Verfügung zu stellen, sondern gestattete diesen lediglich die Nutzung privater Accounts zu dienstlichen Zwecken auf eigene Kosten der Mitarbeiter. Es wurden daher weder KI-Anwendungen auf den Systemen des Unternehmens installiert, noch gab es unternehmensseitige Accounts, welche den Mitarbeitern zur dienstlichen Nutzung überlassen wurden. Die Nutzung erfolgte nur über die browserbasierten Zugänge der Mitarbeiter*innen. Der Betriebsrat sah hierin seine Mitbestimmungsrechte verletzt und begehrte im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes das Verbot des Einsatzes von entsprechenden KI-Anwendungen.

Entscheidung
Nach Auffassung des ArbG Hamburg ist im vorliegenden Fall ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht anzunehmen.

Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG (Fragen der Ordnung des Betriebs oder des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb) bestehe nicht, da der Einsatz dieser KI-Tools unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten falle. Auch die Zurverfügungstellung von KI-Richtlinien, Guidelines oder Handreichungen sind Anordnungen, die die mitbestimmungsfreie Art und Weise der Arbeitserbringung betreffen.

Ferner besteht gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 BetrVG (Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen) nach Ansicht des ArbG Hamburg kein Mitbestimmungsrecht. Zum einen seien ChatGPT und Co. nicht auf den Systemen des Unternehmens installiert, zum anderen werde die Einwahl und Nutzung des Tools über den Browser zwar regelmäßig aufgezeichnet, dies stelle jedoch keine Besonderheit von ChatGPT dar, sondern sei schlicht auf die Funktionsmöglichkeit des Webbrowsers zurückzuführen. Hinsichtlich der Nutzung des Webbrowsers selbst bestehe also an sich ein Mitbestimmungsrecht. Zur Nutzung von Browsern existierte aber bereits eine Konzernbetriebsvereinbarung, sodass der Betriebsrat insoweit sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 S. 1 BetrVG schon ausgeübt hatte. Auch die im konkreten Fall geforderte Kennzeichnung der mithilfe von KI erzeugten Arbeitsergebnisse löst kein Mitbestimmungsrecht aus. Denn die Kennzeichnung und die damit verbundene Kontrollmöglichkeit des Unternehmens erfolgt durch den Mitarbeitenden selbst und nicht das Tool.

Ausblick und Praxishinweise
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg verdeutlicht, dass es für die Frage nach dem Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats für Tools wie ChatGPT stets auf das konkrete Anwendungsszenario ankommt. In diesem speziellen Fall gestattete das Unternehmen lediglich die Nutzung browserbasierter KI-Anwendungen privater Accounts. Außerdem ist zu beachten, dass in dem vorliegenden Fall eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Verwendung von Browsern durch Mitarbeiter bereits vorlag. Fehlt eine solche Vereinbarung, ist jedenfalls dieser Einsatz grundsätzlich eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme – unabhängig von deren Nutzung für KI-Tools.

Viele Unternehmen werden jedoch ein Interesse daran haben, die tätigkeitsbezogene Nutzung entsprechender Tools systemseitig zu steuern und zu verwalten und den Mitarbeiter*innen solche Anwendungen selbst unternehmensseitig zur Verfügung zu stellen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich bei der Nutzung von KI wie ChatGPT weitere rechtliche Folgefragen stellen, die von Unternehmen zu beachten sind (dazu haben wir etwa hier und hier berichtet).

Soweit ein Unternehmen seinen Mitarbeitern die KI-Nutzung über einen Unternehmensaccount gewährt oder auf eine „Enterprise“-Lösung mit zugehörigen Mitarbeiteraccounts zurückgreift, kann die Rechtslage daher anders zu bewerten sein. Ähnliches gilt, wenn maßgeschneiderte KI-Lösungen zum Einsatz kommen sollen, die für spezielle Anwendungsfälle im Unternehmen angepasst werden können. Auch solche Anwendungen werden in der Regel in der eigenen IT-Umgebung des Unternehmens bereitgestellt, sodass ihr Einsatz in der Regel zu einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG führen wird. Der Arbeitgeber muss jedoch den Betriebsrat beim Einsatz von KI-Tools zwingend unterrichten, § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. 

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