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02.10.2024

KI-Flash: Urteil des Landgerichts Hamburg: KI und Urheberrecht – Wer gewinnt den Kampf um das Bildrecht?

Nachdem wir in unserem letzten KI-Flash über das Verhältnis von KI-Systemen zu dem geplanten Cyber Resilience Act berichtet haben, möchten wir Ihnen auch weiterhin in regelmäßigen Abständen rechtliche Impulse mit auf den Weg geben.

 

Heutiges Thema: LG Hamburg erlaubt Bildnutzung für KI-Training

Das Landgericht Hamburg hat am 27. September 2024 mit seinem sehr interessanten und ersten Urteil eines deutschen Gerichts über die Bildnutzung im Zusammenhang mit KI-Training (Aktenzeichen: 310 O 227/23, noch nicht rechtskräftig) entschieden. Im Streit standen der Download und damit die Vervielfältigung eines Bildes durch den Beklagten, einen 2021 gegründeten Verein – und damit war Gegenstand nicht direkt die Frage, ob die streitgegenständlichen Bilddaten zum KI-Training genutzt werden dürfen. 

Der Beklagte bietet seinen Datenbestand als Trainingsinhalte für KI-Systeme kostenfrei online an und hatte das streitgegenständliche Bild in seinen Datensatz mit einem Datenbestand von über 5,85 Milliarden Bild-Text-Paaren integriert. Der Fotograf des Bildes sah sich durch die Vervielfältigung und den anschließenden Analyseprozess (Abgleich mit der Bildbeschreibung) in seinen Rechten aus § 16 UrhG verletzt.

Nun urteilte das LG Hamburg, dass sich der beklagte Verein auf die Schrankenregelung des § 60d UrhG berufen kann – hiernach sind Vervielfältigungen für Text und Data Mining zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung zulässig. 

Zunächst stellte das Landgericht fest, dass die Vervielfältigung nicht von der Schrankenregelung des § 44a UrhG gedeckt war. Hiernach ist eine Vervielfältigung dann rechtmäßig, wenn sie nur flüchtig oder für ein technisches Verfahren ohne eigenständigen Zweck begleitend ist. Nach Ansicht des Landgerichts diente die Vervielfältigung im Streitfall allerdings gerade als vorgelagerter Beschaffungsprozess der späteren Analyse und war damit keine bloße Begleiterscheinung eines technischen Verfahrens.

Dem gegenüber stellt die streitbefangene Benutzung nach Ansicht des Landgerichts einen Akt der wissenschaftlichen Forschung, also des methodisch-systematischen Strebens nach Erkenntnissen, dar. So bilde bereits das Erstellen eines Datensatzes einen grundlegenden und notwendigen Arbeitsschritt auf dem Weg zu einem späteren Erkenntnisgewinn.

Als nicht entscheidungserheblich ließ das Landgericht eine Entscheidung darüber offen, ob die Vervielfältigungshandlung darüber hinaus auch von der Schrankenregelung des § 44b I UrhG, also der Nutzung zum Text und Data Mining zur Gewinnung von Informationen über Muster, Trends und Korrelationen, gedeckt gewesen wäre. Das Landgericht ließ hierbei die Frage, ob KI-Training im Allgemeinen von der Schranke erfasst sei, explizit unbeantwortet. Zwar hielt das Landgericht § 44b I UrhG dem Grunde nach für anwendbar, da Zweck der Bild-Text-Analyse der Abgleich hinsichtlich der (Nicht-)Übereinstimmung der Bilder mit ihren Beschreibungen und damit die Untersuchung von Korrelationen war. In einem ausführlichen obiter dictum legte die Kammer allerdings ihre Rechtsansichten hinsichtlich der Auslegung der Schranke dar:

Einer teleologischen Reduktion des § 44b I UrhG, die zu einer Nichtanwendung auf KI-Trainings führen würde, erteilte das Landgericht eine Absage. Danach werde das klassische Text und Data Mining durch die in der Literatur diskutierte Differenzierung zwischen der Nutzung des Inhalts der geistigen Schöpfung und der Erschließung von im Datenbestand verborgenen Informationen nicht hinreichend trennscharf von der Nutzung für KI-Trainings abgegrenzt, um eine teleologische Reduktion der Schranke zu rechtfertigen. Nicht zuletzt habe der europäische Gesetzgeber mit der KI-Verordnung nochmals bekräftigt, dass das Training künstlicher neuronaler Netze von der § 44b I UrhG zugrundeliegenden Regelung in Art. 4 III DSM-RL erfasst sei.

Allerdings, so das Landgericht, spreche gegen ein Eingreifen der Schrankenregelung, dass das streitgegenständliche Bild von einem möglicherweise wirksam erklärten Nutzungsvorbehalt erfasst gewesen sei. In der Folge setzt sich die Kammer ausführlich mit dem Meinungsstand zu den Anforderungen an eine Maschinenlesbarkeit des Nutzungsvorbehalts im Sinne des § 40b III 2 UrhG auseinander. Hierbei wendet sich das Landgericht gegen die weitenteils in der Literatur vertretene Auffassung, wonach ein allein in natürlicher Sprache verfasster Nutzungsvorbehalt den Anforderungen des § 40b III 2 UrhG an einen maschinenverständlichen Nutzungsvorbehalt bereits genüge. Die Maschinenverständlichkeit, so die Kammer, sei zu jedem Zeitpunkt nach dem jeweils aktuellen Stand der technischen Entwicklung zu beurteilen und somit Sache des Einzelfalls. Verbreiteten Argumenten gegen eine Maschinenlesbarkeit natürlicher Sprache erteilte die Kammer eine Abfuhr. So bedinge die KI-gestützte Überprüfung der Quellen-Webseiten keinen Zirkelschluss, da eine Vorabanalyse der Webseiten nicht ihrerseits bereits einen Text- und Data-Mining-Vorgang begründe, sondern als Crawling nur eine flüchtige und beiläufige Vervielfältigungshandlung im Sinne des § 44a UrhG darstelle. Auch sei der Begriff der Maschinenlesbarkeit aus Erwägungsgrund 35 der PSI-Richtlinie, wonach Maschinenlesbarkeit eine einfache Erkennbarkeit voraussetze, nicht automatisch Art. 4 III DSM-RL zugrunde zu legen.

Im Ergebnis sah die Kammer einen gewissen Wertungswiderspruch darin, den Anbietern von KI-Modellen einerseits über die Schranke in § 44b Abs. 2 UrhG die Entwicklung immer leistungsfähigerer textverstehender und -kreierender KI-Modelle zu ermöglichen, ihnen aber andererseits im Rahmen der Schranken-Schranke von § 44b Abs. 3 S. 2 UrhG die Anwendung bereits bestehender KI-Modelle nicht abzuverlangen. Insoweit hat das Landgericht Hamburg vorliegend zwar eine richtungsweisende Entscheidung vertagt. Das geradezu ausschweifende obiter dictum der Kammer über die Maschinenlesbarkeit eines Nutzungsvorbehalts werden andere Gerichte aber aller Voraussicht nach dankend als Schablone für künftige Verfahren annehmen.

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