Wenn Sie OTT-Dienste, wie Chats, E-Mails oder Voice-Over IP anbieten, müssen Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen, um behördliche Überwachungsmaßnahmen, sowie den automatisierten und manuellen Abruf von Daten zu ermöglichen. Im Falle des automatisierten Auskunftsverfahrens können die Behörden bereits die Umsetzung der Maßnahmen seit dem 01.12.2021 verlangen.
Am 01.12.2021 ist das neue Telekommunikationsgesetz (TKG) in Kraft getreten, mit dem der europäische Kodex für die elektronische Kommunikation – Richtlinie (EU) 2018/1972) – umgesetzt wird. Wesentliche Neuerung ist die Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs des TKG auf Dienste, die eine Form der interpersonellen Kommunikation ermöglichen, sog. „Over-the-Top-Dienste“ (kurz OTT-Dienste). Das sind vor allem Chats, E-Mails und Voice-Over IP.
Ausnahmen vom TKG sind nur im geringen Umfang wahrscheinlich
Von der Definition des interpersonellen Kommunikationsdienstes nicht umfasst sind Dienste, die sich an eine endlose Zahl von Nutzern richten, wie Rundfunk, Videoabrufdienste, Websites, soziale Netzwerke und Blogs.
Von der Definition des interpersonellen Kommunikationsdienstes zudem nicht umfasst sind Dienste, „die eine interpersonelle und interaktive Telekommunikation lediglich als untrennbar mit einem anderen Dienst verbundene untergeordnete Nebenfunktion ermöglichen“ (vgl. § 3 Nr. 24 TKG).
Während diese Definition zwar Ausnahmen für den Anwendungsbereich des TKG schaffen will, so schafft sie vor allem weitere Unklarheit. Denn das TKG liefert keine weiteren Anhaltspunkte dafür, welche Dienste hiervon umfasst sein sollen.
Ein Blick in die Gesetzbegründung zum TKG (S. 231) und die Erwägungsgründe zur Richtlinie (EU) 2018/1972 (ErwG 17) verdeutlichen allerdings schnell, dass der Anwendungsbereich dieser Ausnahme eng ist. Ausgangspunkt einer Bewertung soll dabei der objektive Standpunkt des Endnutzers sein. Ein Merkmal, wann eine interpersonelle Kommunikation als unbedeutend angesehen werden könnte, ist, wenn es nur einen sehr begrenzten objektiven Nutzen für den Endnutzer aufweist und in der Realität von Endnutzern kaum verwendet wird (ErwG 17 Richtlinie (EU) 2018/1972).
Als einziges etwas konkreteres Beispiel für eine mögliche Ausnahme nennen sowohl die Gesetzbegründung zum TKG (S. 232) als auch die ErwG 17 zur Richtlinie (EU) 2018/1972, die Kommunikation in Online-Spielen. Aber auch hier wird das Beispiel nur sehr vorsichtig als mögliche Ausnahme genannt. In der Gesetzbegründung zum TKG (S. 232) wird zudem klargestellt, dass Chatfunktionen, die ohne das Onlinespiel unabhängig genutzt werden können, einen interpersonellen Kommunikationsdienst darstellen können.
Ausweislich der Gesetzesbegründung zum TKG werden von der Bundesnetzagentur weitere Abgrenzungskriterien erwartet, die bei der Einzelfallbeurteilung anzusetzen sind. Diese sollen im Benehmen mit den berechtigten Stellen und unter Beteiligung der Verbände und Hersteller festgelegt werden.
Umfassender Pflichtenkatalog für Anbieter von OTT Diensten
Anbieter von OTT-Diensten müssen technische und organisatorische Maßnahmen implementieren, um behördliche Überwachungsmaßnahmen (vgl. § 170 TKG), sowie den automatisierten (vgl. § 173 TKG) und manuellen Abruf (vgl. § 174 TKG) von Daten zu ermöglichen. Der automatisierte Abruf von Daten betrifft nur nummerngebundene Telekommunikationsdienste.
Bei den Maßnahmen handelt es sich im Wesentlichen um technische Maßnahmen, die einen schnellen und reibungslosen Prozess von der Anfrage einer Behörde bis hin zur Überwachung bzw. Datenübermittlung des Dienstanbieters ermöglichen sollen. Welche Daten konkret vorgehalten werden müssen, ergibt sich aus dem TKG. Zur Erfüllung dieser technischen und organisatorischen Maßnahmen können Dritte beauftragt werden.
Alle Details zu Art und Umfang der technischen und organisatorischen Maßnahmen für Überwachungsmaßnahmen und das manuelle Auskunftsverfahren werden durch die Telekommunikationsüberwachungsverordnung (TKÜV) und die Technische Richtlinie zur Umsetzung gesetzlicher Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation sowie Erteilung von Auskünften (TR-TKÜV) konkretisiert. Die Frist für die Umsetzung beträgt grundsätzlich ein Jahr, im Ausnahmefall bei der Verwendung nicht standardisierter Technologien zwei Jahre, ab dem 09.02.2022.
Für das automatisierte Auskunftsverfahren gilt die Technische Richtlinie für das automatisierte Auskunftsverfahren (TR-AAV). Eine Umsetzungsfrist gibt es hier nicht, sodass seit dem 01.12.2021 die Umsetzung seitens der BNetzA erwartet werden kann.