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11.10.2024

Verbot von Vorher-Nachher-Bildern in der ästhetischen Medizin auch bei nicht klassisch-operativen Eingriffen

Vorher-Nachher-Bilder sind ein beliebtes Mittel der Bewerbung von Produkten und Dienstleistungen in vielen Branchen. Im Bereich der Medizin unterliegt die Verwendung von Vorher-Nachher-Bildern allerdings strengen Voraussetzungen. So verbietet das Heilmittelwerbegesetz in § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG die vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff für alle operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe, sofern diese nicht auf einer medizinischen Notwendigkeit beruhen.

Mit Urteil vom 29. August 2024 (4 UKL 2/24) entschied das OLG Hamm, dass auch Unterspritzungen mit Hyaluronsäure und Botox unter das Verbot von Vorher-Nachher-Bildern fallen, da es sich um einen in § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) HWG genannten operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs handele.

Der Fall

Die Beklagte bietet ästhetische Behandlungen wie medizinisch nicht indizierte Lippenformungen, Nasenkorrekturen, Kinnaufbau etc., durch Unterspritzung mit Medizinprodukten, wie Fillern auf Hyaluronsäurebasis sowie mit Botox an. Diese Behandlungen bewarb sie auf Instagram mit Vorher-Nachher-Bildern. Dagegen wandte sich die Verbraucherschutzzentrale Nordrhein-Westfalen und klagte auf Unterlassung.

Das OLG Hamm hatte nun zu entscheiden, ob das Unterspritzen mit Hyaluronsäure oder Botox einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff darstellt und ob dieser Eingriff medizinisch notwendig war.

Der Schutzzweck ist entscheidend
Von zentraler Bedeutung ist der in § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) HWG genannte Begriff des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs. Dieser ist nicht legaldefiniert und daher auslegungsbedürftig.

Zunächst zog das OLG Hamm den Wortlaut und den allgemeinen Sprachgebrauch heran. Dieser lege nahe, dass hier nur der „klassische“ operative Eingriff durch Öffnung des Körpers mittels Skalpell oder Messer erfasst sein könne.

Anschließend wandte es sich jedoch dem Schutzzweck des Werbeverbots zu. Dieser liege in dem Schutz der Verbraucher bzw. der Bevölkerung vor erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken, indem eine (insbesondere suggestive oder irreführende) Werbung mit medizinisch nicht notwendigen, schönheitschirurgischen Eingriffen verboten sei. Entscheidend sei hier die potentielle Gefährlichkeit. Darauf, ob sich die erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken im Einzelfall tatsächlich realisierten, käme es nicht an.

Deswegen sei ein operativer Eingriff iSd. § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) HWG bereits dann anzunehmen, wenn ein instrumenteller Eingriff am oder im Körper des Menschen erfolge, mit dem Form- und Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen würden. Diese Auffassung begründet das Gericht weiter damit, dass für einen mit gesundheitlichen Risiken versehenen Eingriff ohne medizinische Notwendigkeit kein Anreiz durch Vorher-Nachher-Bilder geschaffen werden solle. Ob nun ein Skalpell o.ä. benutzt würde, sei daher egal. Auch das unstrittig geringere Risiko im Vergleich zu einer „klassischen“ Operation ändere daran nichts, denn auch bei der Unterspritzung der Haut mit Hyaluron oder anderen sog. Fillern könnten erhebliche Gesundheitsschäden drohen.

Was fällt also alles unter den operativen plastisch-chirurgischen Eingriff?

Wenn es nach dem OLG Hamm geht, sehr viel. Das OLG geht von einem sehr weiten Anwendungsbereich des Begriffes aus. Sämtliche von der Beklagten angebotenen Behandlungen wie Lippenformungen, Nasenkorrekturen sowie Unterspritzungen weiterer Gesichtsareale, etwa der Tränenrinnen, der Nasolabialfalte, des Kinns oder der Wangenknochen würden unter den Begriff fallen.

Der Maßstab ist das Vorliegen einer Gestaltveränderung der Nase, Lippen etc. und das verbleiben über einen längeren Zeitraum (im Falle hier angebotenen Behandlungen etwa 1,5 Jahre).

Und war der Eingriff medizinisch notwendig?

Die Antwort auf diese Frage wird den meisten, auch Nicht-Juristen und medizinischen Laien, wohl einfach fallen: In der Regel nein. Dementsprechend kurz führt das Gericht dazu aus, dass die medizinische Indikation in der Werbung selbst herausgestellt werden müsse. Vorliegend dienten die beworbenen Behandlungen ersichtlich nur der optischen Veränderung der abgebildeten Personen und stünden in keinerlei Zusammenhang mit einem krankhaften und behandlungsbedürftigen Zustand.

Fazit
Anbieter von ästhetischen Behandlungen sollten überprüfen, ob bzw. inwieweit sie zukünftig ihre Werbung an das Urteil anpassen. Die Reichweite des Verbots von Vorher-Nachher-Bildern umfasst aus Sicht des OLG Hamm auch die meisten minimal-invasiven Behandlungen in diesem Bereich. Eine Ausnahme besteht weiterhin für tatsächlich medizinisch notwendige Eingriffe. Eine medizinische Indikation kann mitunter auch bei ästhetischen Eingriffen gegeben sein. Dies muss dann aber in der Werbung selbst auch kenntlich gemacht werden.

Noch ist das Urteil jedoch nicht rechtskräftig, die Beklagte hat Revision eingelegt (BGH I ZR 170/24).
 

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