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16.08.2022

Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen - Stand der Rechtsprechung

Der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist nach § 502 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB ausgeschlossen, wenn im Verbraucherdarlehensvertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrages, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind. Etwaige im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung von Banken und Sparkassen geforderte Vorfälligkeitsentschädigungen wären demnach „ohne Rechtsgrund“ geleistet worden.

Die in Bezug auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge erst für nach dem 21. März 2016 geschlossene Verträge relevanten Vorschriften sind gerade im Hinblick auf die Fragestellung zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung erst durch das Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 01. Juli 2020 ins Blickfeld gerückt. Der seitdem angestoßene rechtliche Diskurs zu der Frage, welche Angaben zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung notwendig und wann die getätigten Angaben „unzureichend“ sind, dauert an. Auch wird er durch diverse Einzelfragestellungen, da die Institute hinsichtlich Details und inhaltlicher Tiefe voneinander abweichend informiert haben, geprägt. Nicht jedes Urteil lässt sich daher pauschal auf die konkret zu prüfende Vertragskonstellation übertragen.

Wichtige, grundlegende Entscheidungen sind in der Zwischenzeit aber ergangen. Diese sind durchaus verallgemeinerungsfähig und können dem rechtsuchenden Publikum wichtige Klarstellungen bieten.

Dazu ist vorab festzuhalten, dass die Anforderungen an die Angaben zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung bezogen auf Immobiliar- Verbraucherdarlehensverträge ausschließlich nach nationalem Recht zu beurteilen sind. Die Entscheidungen des EuGHs vom 26. März 2020 (C-16/19) und vom 9. September 2021 (C-33/20, C-155/20 und C-187/20) sind im Falle von grundpfandrechtlich besicherten Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen nicht einschlägig, da die Verbraucherkreditrichtlinie auf diese Verträge keine Anwendung findet, siehe st. Rspr. des BGH, aktuell im Beschluss vom 10. Mai 2022, Az.: XI ZR 77/21.

Weiter erfolgt die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Rahmen des § 502 BGB nach den schon in Bezug auf die vorangehende Rechtslage bekannten, zu der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 BGB a.F. entwickelten allgemeinen Grundsätzen. Dazu hat der BGH in stetiger Rechtsprechung diverse grundlegende Entscheidungen zur Zulässigkeit und zur Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen erlassen:

So entschied der BGH im Grundsatzurteil vom 1. Juli 1997, Az.: XI ZR 267/96, dass bei einem Festzinskredit mit vertraglich vereinbarter Laufzeit das Bedürfnis des Darlehensnehmers nach einer anderweitigen Verwertung des beliehenen Objekts eine Verpflichtung des Darlehensgebers begründen kann, in eine vorzeitige Darlehensablösung gegen angemessene Vorfälligkeitsentschädigung einzuwilligen. Das gilt insbesondere dann, wenn für eine beabsichtigte Grundstücksveräußerung eine Ablösung des Kredits und der damit zusammenhängenden grundpfandrechtlichen Belastung erforderlich ist. Bis dahin war die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Darlehensnehmer bei einem Festzinskredit gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung eine vorzeitige Kreditabwicklung verlangen kann, in Instanzenrechtsprechung und Literatur umstritten.

Der BGH hob in dieser Entscheidung hervor, die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung sei so zu bemessen, dass der Darlehensgeber durch die Kreditablösung im Ergebnis finanziell weder benachteiligt noch begünstigt werden soll. Kreditinstitute dürften ihren finanziellen Nachteil aus der Kreditablösung auf unterschiedliche Weise ermitteln.

Mit weiterem Senatsurteil vom 7. November 2000, Az.: XI ZR 27/00, konkretisierte der BGH die Vorgaben für die Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen bzw. Nichtabnahmeentschädigungen. Die Vorfälligkeitsentschädigung kann folglich alternativ nach der Aktiv-Aktiv-Berechnungsmethode (Vergleich des bestehenden Vertrages mit einer hypothetischen Neuausreichung der Darlehensvaluta) oder der Aktiv-Passiv-Vergleichsmethode (Vergleich des bestehenden Vertrages mit einer hypothetischen Anlage der Darlehensvaluta am Kapitalmarkt; laufzeitkongruente Wiederanlage in sicheren Kapitalmarkttiteln) ermittelt werden.

Festzuhalten insoweit ist, dass bis heute sowohl die Aktiv-Aktiv-Methode als auch die Aktiv-Passiv-Methode für die Ermittlung von Vorfälligkeitsentschädigungen zulässig ist. Der BGH hat für die Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen die in der Kreditpraxis häufig angewandte Aktiv-Passiv-Methode ausdrücklich anerkannt, vgl. exemplarisch BGH-Urteile vom 1. Juli 1997, Az.: XI ZR 267/96; 7. November 2000, Az.: XI ZR 27/00; 30. November 2004, Az.: XI ZR 285/03; 20. Februar 2018, Az.: XI ZR 445/17, sowie inzident auch in den BGH-Urteilen vom 22. November 2016, Az.: XI ZR 187/14, und 5. November 2019, Az.: XI ZR 650/18.

Zu den Vorgaben für Art und Umfang der Berechnungsmethode hat der BGH dann weiter in seinen Entscheidungen vom 5. November 2019, Az.: XI. ZR 11/19 und Az.: XI ZR 650/18 ausgeführt. Dort wurde hervorgehoben, dass die nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderlichen Informationen über die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung klar und verständlich sind, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt.

Mit Beschluss vom 08. Juni 2021, Az. XI ZR 612/20 zeigte der BGH ferner an, dass fehlerhafte Angaben zur Methode der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in einem Verbraucherdarlehensvertrag nach § 502 BGB zum Verlust des Anspruches auf eine Vorfälligkeitsentschädigung des Darlehensgebers führt. Die Frage, ob die Widerrufsfrist anlaufe und damit ein Recht zum Widerruf bestehe, bleibe von fehlerhaften Angaben zur Berechnungsmethode aber unberührt.

Neuerdings ist in dem vorliegenden Zusammenhang auch interessante obergerichtliche Rechtsprechung in Bezug auf Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge ergangen. Hinzuweisen ist dort auf das Urteil des OLG Stuttgart vom 18. Mai 2022, 9 U 237/21 sowie das Urteil des OLG Naumburg vom 18. Mai 2022, 5 U 13/22. In der Sache ging es bei beiden Verfahren um einen Anspruch auf Rückerstattung einer aufgrund während der Sollzinsbindungsfrist erfolgten Rückführung eines Immobiliar-Verbraucherdarlehens gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung. Bei beiden Verfahren ist der Nichtzulassungsbeschwerdewert nicht erreicht worden, von Rechtskraft ist auszugehen.

Das OLG Stuttgart arbeitete in seinem Urteil vom 18. Mai 2022 heraus, dass der Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung auch beim Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag nicht voraussetze, dass die der genauen Berechnung zu Grunde zu legenden Größen schon präzise im Darlehensvertrag zu definieren sind. Vielmehr genüge zu diesem Zeitpunkt die Benennung der wesentlichen Parameter in groben Zügen. Weiter stellte das OLG Stuttgart klar, dass es einer Differenzierung zwischen „Zinsbindungsfrist“ und „rechtlich geschützter Zinserwartung“ zu diesem Zeitpunkt noch nicht bedarf. Diese Beurteilung ist für eine Vielzahl von bei nationalen Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten von großer praktischer Relevanz.

In die gleiche Richtung geht die o.g. Entscheidung des OLG Naumburg, in welcher u.a. ein Vertrag, bei welchem das vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband empfohlene Formular für Verträge ab dem 21. März 2016 übernommen wurde, überprüft worden ist. Der Senat entschied, dass die Formulierungen aus „Ziffer 10 Vorfälligkeitsentschädigung“ ausreichend seien, weil das beklagte Institut im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die wesentlichen Parameter darstellte und in der tatsächlichen Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung - zum Zeitpunkt der vorzeitigen Vertragsbeendigung - die Vorgaben aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berücksichtigt wurden. Mehr braucht es hier nicht.  

Beide Entscheidungen sind zu begrüßen, da sie klar zwischen den eigentlichen Angaben zu Kündigungsrechten und den Anforderungen an Mitteilungen zur Berechnungsmethode differenzieren.  Klargestellt wird, dass es einer Vermengung beider Informationsgehalte nicht bedarf. Eine (zu) detaillierte Erläuterung zu der Ausgestaltung der rechtlich geschützten Zinserwartung sprengt den Rahmen der geforderten “Darstellung in groben Zügen“. Ein weiterer Erkenntnisgewinn ergibt sich aus einer (überobligatorischen) Detailtiefe für den Verbraucher nicht. Vielmehr trägt dies zur Verwirrung bei.

Ein solches war vom Gesetzgeber zu keiner Zeit gewollt: Die vorgenannten Entscheidungen stehen im Einklang mit den Vorgaben der Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drs. 18/5922, S. 116, wonach es bzgl. Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB eines Hinweises darauf bedarf, dass der Darlehensgeber im Fall der vorzeitigen Rückführung des Darlehens während laufender Zinsbindung eine Vorfälligkeitsentschädigung beanspruchen werde. Die Gesetzesbegründung legt ferner das Verständnis nahe, die (bloße) Benennung und Festschreibung der anzuwendenden Berechnungsmethode könne hier ausreichen. Weitere Erläuterungen zu dieser Berechnungsmethode werden dort zumindest nicht vorgesehen.

Dieser Wertung entsprechen ferner die Stimmen in der Literatur, siehe die Ausführungen von Schürnbrand/Weber im: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 502 unter Rn. 14, wonach neben unrichtigen Angaben solche unzureichend sind, die zwar aus fachlicher Sicht nicht zu beanstanden, aber für einen durchschnittlichen Verbraucher nicht nachvollziehbar sind. Was die Darstellung der Berechnungsmethode angehe, „so kommt der Verständlichkeit Vorrang vor letzter fachlicher Präzision zu.“ 

Angaben zur Berechnungsmethode, die unter Nennung der Berechnungsmethode die Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung klar und verständlich, aber eben in ihren wesentlichen Zügen darstellen, sind für den „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher“, und eben dies für die vorliegende Prüfung das maßgebliche Leitbild, vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2016, Az.: XI ZR 101/15, folglich ausreichend.

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