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29.01.2025

Festlegung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Definition des Beschaffungsgegenstandes

Grenzenlose Freiheiten für öffentliche Auftraggeber? 

Das Leistungsbestimmungsrecht erlaubt dem öffentlichen Auftraggeber, die Anforderungen und Kriterien eigenständig festzulegen, die ein zu beschaffendes Produkt oder eine Dienstleistung erfüllen muss (vgl. unsere „Schublade 1“). In den letzten Jahren hat dabei das Thema „Nachhaltigkeit“ auch bei Beschaffungsvorgängen von öffentlichen Auftraggebern erheblich an Bedeutung gewonnen. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit öffentliche Auftraggeber „freie Hand“ bei der Definition von Nachhaltigkeitsanforderungen an den Auftragsgegenstand haben.

 

Rechtliche Rahmenbedingungen

Öffentliche Auftraggeber können Nachhaltigkeitsaspekte u.a. über die Leistungsbeschreibung in den Auftragsgegenstand einfließen lassen. Dabei steht den Auftraggebern grds. ein weiter Spielraum zu, da sie die Anforderungen an den Auftragsgegenstand grds. selbst festlegen können. Zu beachten sind dabei § 31 VgV sowie § 7a EU Abs. 1 Nr. 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A bzw. § 121 GWB. § 31 Abs 3 VgV stellt diesbezüglich klar, dass an den Beschaffungsgegenstand auch technische Anforderungen aufgestellt werden können, die einen Umweltbezug aufweisen. Voraussetzung ist allerdings, dass ein Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand besteht. Daneben müssen die Merkmale in Bezug zu dessen Wert und zu den Beschaffungszielen verhältnismäßig sein. 

Zudem sind öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen in vielen Fällen verpflichtet, Umweltaspekte zu berücksichtigen. Maßgeblich ist dabei das Gesetz zur Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge. Hier ist u.a. die Umsetzung der vorgegebenen Mindestziele – insbesondere die Einhaltung von vorgegebenen Emissionsgrenzwerten – zwingend zu beachten. 

Ferner gibt § 67 Abs. 2 VgV vor, dass öffentliche Auftraggeber bei energieverbrauchsrelevanten Liefer- und Dienstleistungen in der Leistungsbeschreibung diverse Anforderungen an die Energieeffizienz stellen sollen.

 

Einschränkungen durch Rechtsprechung der Vergabenachprüfungsinstanzen?

Auch die Entscheidungspraxis aus den vergangenen Jahren zeigt, dass öffentliche Auftraggeber über weite Spielräume bei der Bestimmung des Auftragsgegenstandes verfügen. Damit kann die Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten bei Beschaffungsvorgängen erheblich gefördert werden. 

Bereits in einem Beschluss aus dem Jahr 2014 (B. v. 07.05.2014 – Verg 46/13) hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass die Nutzung von umweltfreundlichen Fahrzeugen durch öffentliche Auftraggeber gefordert werden kann. Beschaffungsgegenstand war der Abschluss einer Rahmenvereinbarung für das Abschleppen und die Verwahrung von ordnungswidrig geparkten Fahrzeugen. Entsprechend den Vorgaben aus der Vergabebekanntmachung und der Leistungsbeschreibung müssen die zum Einsatz kommenden Abschleppfahrzeuge die grüne Umweltplakette oder eine Ausnahmegenehmigung nach Anhang 3 zur 35. BImSchV aufweisen. Zwar kam das OLG zu dem Ergebnis, dass die Anforderungen an die Umweltverträglichkeit der Abschleppfahrzeuge nicht als Eignungskriterium verwendet werden durften. Die Bieter würden hierdurch unangemessen benachteiligt, denn die Fahrzeuge mit der geforderten Plakette müssten den Bietern nicht schon bei der Durchführung des Teilnahmewettbewerbes, sondern erst bei Beginn der Auftragsausführung zur Verfügung stehen.

Jedoch waren die Umweltvorgaben in Form von zusätzlichen Anforderungen an die Vertragsausführung gemäß § 97 Abs. 4 S. 2 GWB a.F. ("Ausführungskriterien") zulässig. Hintergrund ist, dass diese in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen. 

Auch das OLG München (B. v. 09.03.2018 - Verg 10/17) bekräftigte, dass Umweltkriterien in Vergabeverfahren berücksichtigt werden können, wenn diese objektiv und nachvollziehbar sind. Hintergrund des Verfahrens war eine Ausschreibung zur thermischen Verwertung/Entsorgung von teer- und pechhaltigem Straßenaufbruch. Die Antragstellerin vertrat dabei die Auffassung, dass die Pflicht, den Straßenaufbruch zu 100% der thermischen Verwertung/Behandlung zuführen zu müssen, gegen Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) verstoße. Insofern hätten auch andere Maßnahmen zulässig sein müssen. Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass bei der Festlegung des Auftragsgegenstandes auch die Maßgaben aus dem KrWG berücksichtigt werden müssen. Zwar stehe dem öffentlichen Auftraggeber ein weiter Spielraum bei der Festlegung des Auftragsgegenstandes zu. Das Leistungsbestimmungsrecht könne allerdings dabei durch zwingende gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden. Zudem betonte das OLG, dass die Bestimmung des Auftragsgegenstandes sachlich gerechtfertigt sein müsse und es müssten dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe vorliegen. Die Festlegung müsse willkür- und diskriminierungsfrei erfolgen und entsprechend dokumentiert werden. Das OLG Frankfurt kam in einem vergleichbaren Fall zu einem ähnlichen Ergebnis (OLG Frankfurt a.M. B. v. 21.07.2020 – 11 Verg 9/19). 

 

Fazit

Infolge des umfangreichen Leistungsbestimmungsrechts der öffentlichen Auftraggeber besteht bereits in der sog. „Schublade 1“ die Möglichkeit, Anforderungen an die Nachhaltigkeit des jeweiligen Beschaffungsgegenstandes in ein Vergabeverfahren zu integrieren. Die Vergabenachprüfungsinstanzen bestätigen die Zulässigkeit solcher Kriterien. Dabei betonen diese jedoch die Notwendigkeit von Transparenz und Nichtdiskriminierung. Von überragender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang eine umfassende und lückenlose Dokumentation der Erwägungen, die maßgeblich für die Festlegung des Leistungsgegenstandes sind. 

Auch sieht der aktuelle Entwurf des Vergabetransformationsgesetzes (VergRTransfG) vor, dass öffentliche Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung oder auf anderen Stufen des Vergabeverfahrens mindestens ein soziales oder ein umweltbezogenes Kriterium berücksichtigen sollen (vgl. § 120 a Abs. 1 GWB des Gesetzesentwurfes). Ob und wann das Gesetz in Kraft tritt, ist allerdings derzeit unklar.

Bei innovativen und komplexen Beschaffungsvorgängen bietet sich daneben i.d.R. ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb bzw. ein wettbewerblicher Dialog (vgl. § 119 GWB bzw. § 14 Abs. 3 VgV) an, um den Leistungsgegenstand unter Beachtung des technischen Know-Hows der Bieter final festzulegen. Dabei muss beachtet werden, dass Mindestvorgaben an den Leistungsgegenstand nach Beginn des Vergabeverfahrens in den Verhandlungen i.d.R. nicht abgeändert werden können. 

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