Auch im Rahmen von Vergabeverfahren hat das Thema „Nachhaltigkeit“ in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Dies gilt sowohl im Baubereich als auch bei Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen. Nachhaltigkeit ist im Vergaberecht per se angelegt: Die öffentliche Hand soll nach dem „besten Preis-Leistungs-Verhältnis“ beschaffen (§ 127 GWB). Es können dabei neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.
Im Ober- und Unterschwellenbereich bestehen für öffentliche Auftraggeber diverse Möglichkeiten, nachhaltige Anforderungen an die Beschaffung zu stellen, § 97 Abs. 3 GWB. Die unterschiedlichen Möglichkeiten lassen sich in die sog. „drei Schubladen“ einordnen. Diese entsprechen dem Beschaffungsgegenstand (1), der Eignung der Auftragnehmer (2) und den Wirtschaftlichkeitskriterien (3). Wir haben die "drei Schubladen" entwickelt, um Beschaffungen sinnvoll und wirtschaftlich zu gliedern. Diese Struktur hilft Auftraggebern und Bietern, vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten bzw. gute Angebote legen zu können.
Leistungsbeschreibung („Schublade 1“)
Öffentliche Auftraggeber können Nachhaltigkeitsaspekte über die Leistungsbeschreibung in den Auftragsgegenstand einfließen lassen. Dem öffentlichen Auftraggeber steht hier ein weiter Spielraum zu, da er die Anforderungen an den Auftragsgegenstand grds. selbst festlegen kann. § 31 VgV sowie § 7a EU Abs. 1 Nr. 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A vertiefen die Vorgaben aus § 121 GWB und enthalten insbesondere auch Vorgaben in Bezug auf die Zulässigkeit von Vorgaben bzw. Mindestbedingungen, die einen Bezug zur Nachhaltigkeit aufweisen.
§ 31 VgV bestimmt, auf welche Art und Weise die zu beschaffende Leistung beschrieben werden kann. Gemäß § 31 Abs. 3 VgV kann der Leistungsgegenstand mit Merkmalen beschrieben werden, die Aspekte der Qualität, der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen.
Die Auswahl der Merkmale kann sich auf den gesamten Lebenszyklus (einschließlich der Produktions- und Lieferkette) beziehen, auch wenn derartige Merkmale kein materieller Bestandteil der Leistung sind, § 31 Abs. 3 S. 2 VgV. Die Merkmale müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Daneben müssen die Merkmale in Bezug zu dessen Wert und zu den Beschaffungszielen verhältnismäßig sein. Der öffentliche Auftraggeber kann demnach u.a. folgende Leistungsparameter (abhängig vom Auftragsgegenstand) aufstellen (vgl. hierzu ausführlich: Jasper, Nachhaltige Vergaben, 2. Teil, S. 134, Rn. 458.):
- Umweltfreundliches Herstellungsverfahren,
- Recyclingfähigkeit des Produktes,
- Vorgaben in Bezug auf ein bestimmtes Material,
- Energiegewinnung aus erneuerbaren Energiequellen.
Eignungskriterien („Schublade 2“)
Daneben kann der öffentliche Auftraggeber Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte bei der Auswahl der für den Auftrag in Frage kommenden Unternehmen berücksichtigen (Eignungsprüfung). Die Eignung der Unternehmen beurteilt sich nach deren Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit. Ob ein Unternehmen diese Vorgaben erfüllt, prüft der öffentliche Auftraggeber anhand der von ihm festzulegenden Eignungskriterien. Nach § 122 Abs. 2 GWB dürfen diese Eignungskriterien grds. nur die
- Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung,
- wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit,
- technische und berufliche Leistungsfähigkeit
betreffen.
Nach § 46 Abs. 3 Nr. 7 VgV bzw. § 6a EU Nr. 3 lit. f VOB/A kann der öffentliche Auftraggeber u.a. die Angabe von Umweltmanagementschutzmaßnahmen verlangen, welche der Unternehmer während der Auftragsausführung anwenden kann,. Auch kann der Auftraggeber nach § 6a EU Nr. 3 lit. d VOB/A bzw. § 46 Abs. 3 Nr. 4 VgV Angaben über das Lieferkettenmanagement- und überwachungssystem anfordern, welches dem Unternehmen zur Vertragserfüllung zur Verfügung steht.
Zuschlagskriterien („Schublade 3“, Wirtschaftlichkeit)
Auch auf Zuschlagsebene können öffentliche Auftraggeber Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen (so u.a. auch EuGH, Urt. v. 17.09.2002 – Rs. C-513/99 – Concordia Bus Finland). Auftraggeber können dabei im Rahmen der „Qualität“ sog. Umweltschutzkriterien aufstellen. Dabei kommen dem Auftraggeber auch hier weitreichende Gestaltungsspielräume zu.
Gem. § 127 Abs. 1 S. 4 GWB können zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden. Voraussetzung ist, dass die Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, § 127 Abs. 3 S. 1 GWB. Die angewendeten Wertungskriterien müssen zudem grds. „objektiv nachvollziehbar“ und nachprüfbar sein.
Nachhaltigkeitsaspekte können auf Zuschlagsebene u.a. wie folgt berücksichtigt werden:
- Umweltverträglichkeit der Materialherstellung (vgl. auch VK Bund, B. v. 30.04.2002 – VK 2.10/92),
- Lebenszykluskosten,
- Beschaffung und Produktion aus fairem Handel.
Daneben ist die Energieeffizienz als Zuschlagskriterium nach § 67 Abs. 5 VgV bei der Beschaffung von energieverbrauchsrelevanten Liefer- und Dienstleistungen zwingend angemessen zu berücksichtigen.