Nachdem der Gesetzgeber aufgrund der Corona Lage und der damit verbundenen Kontaktbeschränkungen im Frühjahr 2020 mit den Regelungen in Art. 2 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (Covid-19-Gesetz) erstmals die bis 2019 zwar schon lange kontrovers diskutierte, aber nie ermöglichte Durchführung von virtuellen Hauptversammlungen (VHV) zuließ, wurden diese Möglichkeiten – wiederum aufgrund der Corona Lage - auch für die Hauptversammlungen in 2021 und 2022 verlängert. Nun können Hauptversammlungen zukünftig wohl unabhängig von Pandemiebedingungen generell als VHV abgehalten werden. Allerdings muss dazu vorher die Satzung der Gesellschaft angepasst werden, was nur in notarieller Form zulässig ist.
Erster Referentenentwurf
Die neue Bundesregierung plant erstmals, VHV dauerhaft zu erlauben. Jetzt liegt hierzu ein Referentenentwurf zur „virtuellen Hauptversammlung“ vor. Um eine VHV statt der seit Jahrzehnten üblichen Präsenzveranstaltung zu ermöglichen, soll das AktG grundsätzlich geändert werden. Aus dem coronabedingten Provisorium soll damit eine dauerhafte Möglichkeit werden.
Damit Aktiengesellschaften künftig dauerhaft von der VHV Gebrauch machen können, soll im AktG eine Möglichkeit geschaffen werden, dass die Aktionäre bereits ab der Hauptversammlungssaison 2023 der Verwaltung generell entsprechende Entscheidungen ermöglichen. Diese Optionen der Satzung sollen allerdings alle fünf Jahre erneut beschlossen werden, um den Aktionärswillen regelmäßig zu überprüfen.
Veränderungen zur aktuellen Situation
Anders als bei der bis Ende August 2022 befristeten VHV auf Basis der Corona Lage sollen in der „neuen“ VHV keine großen Abstriche der Aktionärsbeteiligung im Vergleich zur Präsenzveranstaltung erfolgen. Im Referentenentwurf ist sowohl ein Rederecht der Aktionäre in der Versammlung als auch ein Recht auf Nachfragen vorgesehen. Zahl und Dauer der Reden könnten aber begrenzt werden, um eine VHV für die Verwaltung planbar zu gestalten. Redebeiträge sollen spätestens vier Tage vorher angemeldet, Fragen vorab eingereicht werden. Im Gegenzug sollen auch die Ansprachen der Manager vorab veröffentlicht werden. Zudem wird für die einzelnen Aktionärsrechte festgelegt, wann und in welcher Form diese im Rahmen der VHV einzuräumen sind.
Fazit
Es bleibt zwar noch abzuwarten, welche Inhalte sich am Ende im Regierungsentwurf im Vergleich zum Referentenentwurf finden werden und was dann wann als Gesetz beschlossen wird. Ob die Satzung für die Hauptversammlung 2023 bereits im Rahmen der VHV 2022 entsprechend angepasst werden kann, hängt davon ab, wie und wann aus dem Referentenentwurf ein Gesetz wird. Die erstmalige allgemeine unbefristete Einführung virtueller Versammlungen in das AktG und damit die allgemeine Möglichkeit einer VHV für die Hauptversammlungen ab 2023 ist aber ziemlich sicher. Insoweit hat ausgerechnet die eher negativ betrachtete Corona Lage im AktG zu einer Beschleunigung der Digitalisierung dieses vorher ungeheuer zäh diskutierten, aber nicht veränderten Rechtsgebiets geführt.