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25.04.2022

Anspruch auf Bereitstellung notwendiger Arbeitsmittel

Durch die Urteile des BAG vom 10. November 2021 – 5 AZR 334/21 und 5 AZR 335/21 ist die grundsätzliche Verpflichtung der Arbeitgeber:innen, ihren Arbeitnehmer:innen die für die vereinbarte auszuübende Tätigkeit essentiell erforderlichen und hierfür geeigneten Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen, nunmehr höchstrichterlich bestätigt worden.

Diese Verpflichtung bezieht sich jedenfalls auf solche Arbeitsmittel, ohne die die vertraglich vereinbarte Tätigkeit nicht erbracht werden kann. Bei der Auswahl der geeigneten Arbeitsmittel kommt den Arbeitgeber:innen allerdings regelmäßig ein Spielraum zu.

Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn Arbeitnehmer:innen ohnehin im Besitz des entsprechenden Arbeitsmittels sind.

Allerdings wäre nach Ansicht des BAG eine abweichende Regelung hiervon auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig, wenn Arbeitnehmer:innen für die Nutzung eigener Gegenstände (z.B. des eigenen Fahrrads oder Mobiltelefons) eine angemessene finanzielle Kompensation erhalten würden.

Der Sachverhalt

In den o.g. Entscheidungen klagte ein bei der Beklagten als Fahrradlieferant angestellter Arbeitnehmer, der Speisen und Getränke, die die Kunden in verschiedenen Restaurants bestellen, ausliefert. Um die für seine Tätigkeit notwendigen Einsatzpläne und Adressen der Restaurants sowie der Kunden zu erhalten, muss der Kläger auf eine, auf einem internetfähigen Mobiltelefon zu installierende App, zugreifen. Die Nutzung dieser App verbraucht üblicherweise bis zu 2 GB Datenvolumen pro Monat.

Die Beklagte verpflichtete den Kläger durch Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Verrichtung der vereinbarten Tätigkeit als Fahrradlieferant das eigene Fahrrad und das eigene Smartphone zu nutzen. Für den Einsatz des eigenen Fahrrads gewährt die Beklagte im Gegenzug eine Reparaturpauschale von 0,25 Euro je geleisteter Arbeitsstunde. Diese kann ausschließlich bei einem von der Beklagten zu bestimmenden Unternehmen eingelöst werden. Für die Nutzung des eigenen Mobiltelefons sehen die AGB keinen Ausgleich vor.

Die Entscheidung

Mit den o.g. Entscheidungen verdeutlichte das BAG erneut, dass der Anspruch auf die Zurverfügungstellung von wesentlichen Arbeitsmitteln sich aus § 611a Abs. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag ergibt. Tatsächlich bezieht sich der Anspruch dabei auf die Arbeitsmittel, ohne die die vertraglich vereinbarte Tätigkeit gar nicht erbracht werden kann.

Das BAG stellte mit den o.g. Entscheidungen klar, dass die nahezu vollständige Abwälzung von Anschaffungs- und Betriebskosten auf die Arbeitnehmer:innen die daneben auch das alleinige Risiko für den Verlust, Verschleiß, Wertverfall und die Beschädigung der von ihnen eingebrachten Arbeitsmittel tragen, eine unangemessene Benachteiligung ist, die daher gem. § 307 Abs.2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist. Eine Regelung mit einem derartigen Inhalt widerspricht dem Grundgedanken des Arbeitsverhältnisses, wonach der oder die Arbeitgeber:in die für die Ausübung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung unmittelbar erforderlichen Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen hat. Für die Wirksamkeit der Klausel fehle es an einer angemessenen Kompensation für die Nutzung der im Eigentum des Klägers stehenden Sachen.

Die gewährte Reparaturpauschale i.H.v. 0,25 Euro pro geleisteter Arbeitsstunde stelle nach Ansicht des BAG keine angemessene Kompensation dar. Einerseits könnte der Kläger nicht frei über das Geld verfügen. Andererseits orientiert sich die Reparaturpauschale nicht an der unmittelbar für den Verschleiß ursächlichen tatsächlichen Fahrleistung, sondern an der für den Verschleiß nur mittelbar verantwortlichen Arbeitszeit. Darüber hinaus fehle es auch an einer Nutzungsentschädigung für die zur Verfügung gestellten Sachen.

Das Vorbringen des/der beklagten Arbeitgeber:in, dass die typischerweise beteiligten Vertragspartner (Arbeitnehmer:innen), so wie vorliegend auch der Kläger, grundsätzlich ohnehin im Besitz eines internetfähigen Mobiltelefons und eines Fahrrads seien, sei für die Beurteilung der Klausel nicht relevant, da die privaten Gegenstände im Rahmen der arbeitsvertraglich geschuldeten Verwendung einer höheren Abnutzung und einem Beschädigungs- und Verlustrisiko ausgesetzt sind.

Die Praxis

Da die durch das BAG in den o.g. Entscheidungen aufgegriffene Grundannahme jedem Arbeitsvertrag zugrunde liegt, besteht ein derartiger Anspruch branchenübergreifend.

Trotz der Entscheidungen des BAG besteht weiterhin Potential für Rechtsstreitigkeiten. Denn das BAG nimmt in den o.g. Entscheidungen weder zu der Frage, wann Arbeitsmittel „erforderlich“ sind, noch zu der Frage, wann eine Kompensationsregelung für die Benutzung im Eigentum des/der Arbeitnehmer:in stehenden Arbeitsmittel angemessen ist, Stellung.

Als Kriterien für die Angemessenheit einer Kompensationsregelung kommen etwa die Höhe der Kompensationszahlung im Verhältnis zum Wert des eingebrachten Arbeitsmittels und die Eigenart der geschuldeten Tätigkeit in Betracht. Mangels Stellungnahme des BAG bleibt insoweit allerdings regelmäßig nur die äußerst vage Orientierungsmöglichkeit an den Grenzen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Da gem. § 310 Abs. 4 S. 1 BGB die Vorschriften der AGB-Kontrolle u.a. nicht auf Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge angewendet werden, empfiehlt es sich, dort, wo es die innerbetriebliche Organisationsstruktur zulässt, eine kollektivrechtliche Regelung hinsichtlich der Kompensation des von Arbeitnehmer:innen zur Leistungserbringung genutzten Eigentums abzuschließen.

Nach der Entscheidung des BAG steht fest, dass Arbeitgeber:innen künftig ein finanzieller Mehraufwand trifft. Arbeitgeber:innen müssen entweder die erforderlichen Arbeitsmittel anschaffen und den Arbeitnehmer:innen zur Verfügung stellen oder eine angemessene Kompensation leisten.

Abzuwarten bleibt, ob dieser finanzielle Mehraufwand auf die Verbraucher:innen abgewälzt wird.

Autoren: Bettina-Axenia Bugus-Fahrenhorst (Rechtsanwältin, Partnerin) und Maximilian Matthiesen (wissenschaftlicher Mitarbeiter) 

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