Nachdem am 10. Februar 2023 der Gesetzesentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) bereits erstmals an der Zustimmung des Bundesrats scheiterte (wir berichteten), konnte auch die daraufhin vom Bundestag vorgesehene Spaltung der Regelungen in zwei Gesetze (auch hierzu berichteten wir) nicht zu einer finalen Lösung führen. Letztlich musste der Vermittlungsausschuss angerufen werden, welcher nunmehr am 9. Mai 2023 eine Beschlussempfehlung für einen finalen Entwurf des HinSchG gefasst hat.
Welche Änderungen wurden vom Vermittlungsausschuss vorgeschlagen?
Keine Verpflichtung zur Bearbeitung anonymer Meldungen
Die wohl bedeutsamste Änderung hat die Regelung des § 16 Abs. 1 HinSchG erfahren. Anders als dies zuvor vorgesehen war, sind interne Meldestellen nun doch nicht (mehr) dazu verpflichtet, auch anonyme Meldung entgegenzunehmen und diese zu bearbeiten. Nach dem Wortlaut der Norm „sollte“ die interne Meldestelle jedoch auch anonyme Meldungen bearbeiten. Ob Unternehmen hiervon Gebrauch machen, ist jedoch letztlich eine rein unternehmenspolitische Entscheidung und vom Gesetzgeber nicht konkret vorgegeben. Um das Vertrauen in die interne Meldestelle zu stärken, kann eine anonyme Vorgehensweise jedoch zumindest eine taugliche Option darstellen.
Einschränkungen bei Verstößen
In § 3 Abs. 3 HinSchG wird nunmehr zudem ausdrücklich klargestellt, dass es sich nur dann um einen „Verstoß“ im Sinne der gesetzlichen Regelungen handelt, sofern dieser „bei dem Beschäftigungsgeber, bei dem die hinweisgebende Person tätig ist oder war, oder bei einer anderen Stelle, mit der die hinweisgebende Person aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit im Kontakt steht oder stand“, erfolgt.
Bevorzugung der internen Meldestelle
Auch wurde in § 7 Abs. 1 S. 2 HinSchG vorgesehen, dass hinweisgebende Personen möglichst die interne Meldestelle in Anspruch nehmen sollen. Dies gilt jedenfalls dann, sofern gegen den entsprechenden Verstoß intern vorgegangen werden kann und die hinweisgebende Person keine Repressalien befürchtet. Dennoch sei ausdrücklich angeführt, dass das grundsätzliche Wahlrecht zwischen interner und externer Meldestelle weiterhin bestehen bleibt. Der Gesetzgeber hat lediglich (insoweit nochmals) festgehalten, dass interne Meldestellen möglichst zu bevorzugen sind. Unverändert geblieben ist daher auch die Regelung, wonach Unternehmen Anreize schaffen „sollen“, dass die interne Meldestelle genutzt wird.
Änderungen bei der Beweislast
Eine gewisse Änderung hat auch die in § 36 Abs. 2 HinSchG vorgesehene Beweislastumkehr erfahren. Wie auch zuvor, wird grundsätzlich noch immer vermutet, dass eine Benachteiligung, welche die hinweisgebende Person infolge einer Meldung erfährt, als Repressalie im Sinne der gesetzlichen Vorschriften anzusehen ist. Die hinweisgebende Person muss sich jedoch nunmehr ausdrücklich hierauf berufen. Beruft sich eine hinweisgebende Person demgegenüber nicht auf einen etwaigen Kausalzusammenhang, bleibt es bei den allgemeinen prozessualen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast.
Auflockerung der Löschfristen
Ebenfalls wurde die zuvor vorgesehene starre Löschfrist von 3 Jahren etwas aufgelockert. Die nach den gesetzlichen Vorgaben aufzubewahrenden Dokumentationen dürfen nunmehr dann länger aufbewahrt werden, wenn dies erforderlich und verhältnismäßig ist, um die Anforderungen nach dem HinSchG oder anderer gesetzlicher Regelungen zu erfüllen.
Bußgelder und Inkrafttreten
In § 40 Abs. 6 HinSchG wurde zudem vorgesehen, dass die maximale Höhe der angedrohten Bußgelder nur noch 50.000 Euro beträgt. Daneben sollte unternehmerseitig insbesondere beachtet werden, dass das reformierte HinSchG nunmehr bereits einen Monat nach dessen Verkündung in Kraft tritt.
Wie geht es nun weiter?
Nachdem das Plenum des Bundestages dem Kompromiss des Vermittlungsausschusses bereits am 11. Mai 2023 zugestimmt hat, liegt die finale Entscheidung nunmehr beim Bundesrat, welche bereits am heutigen Tage erfolgen könnte. Das Gesetz müsste sodann nur noch dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung vorgelegt werden. Aufgrund der verkürzten Frist zum Inkrafttreten des Gesetzes könnten die Regelungen daher – trotz des langwierigen Prozesses – bereits Mitte Juni 2023 zur Anwendung kommen.
Unternehmen mit über 249 Beschäftigten sollten sich daher sehr zeitnah mit der Auswahl und Implementierung einer entsprechenden Lösung befassen. Aber auch Unternehmen mit einer Beschäftigungszahl von 50 bis 249 Beschäftigten haben nur noch bis zum 17. Dezember 2023 Zeit.
Gerne unterstützen wir Sie bei den rechtlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit einem Hinweisgebersystem.