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09.02.2024

Außenwirtschaftsrecht – BMWK darf Investitionsprüfverfahren nicht „einstellen“

Dass eine Entscheidung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zu einem internationalen Unternehmenserwerb einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung unterzogen wird, kommt nicht alle Tage vor. Noch seltener allerdings haben Verwaltungsgerichte die Gelegenheit, dem BMWK die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnisse aufzuzeigen. Beides geschah zuletzt im November 2023 in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin (VG 4 K 536/22). Was war der Hintergrund?

Bei einer direkten oder indirekten Investition in ein deutsches Unternehmen (Zielunternehmen) durch einen ausländischen Investor ist stets zu beachten, ob die Investition der Melde- bzw. Freigabepflicht nach der Außenwirtschaftsverordnung (§§ 55 ff. AWV) unterliegt.  Ist dies der Fall, muss – stark vereinfacht gesagt – die Transaktion durch das BMWK geprüft und gegebenenfalls unter Auflagen freigegeben werden. Im schlimmsten Fall droht eine Untersagung des Erwerbs nach § 59 oder § 62 AWV. Mit dieser Investitionsprüfung sollen negative Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland – beispielsweise auf kritische Infrastrukturen oder die Rüstungsindustrie – vermieden werden. Dabei ist entscheidend, zu wissen, dass das BMWK nach Meldung eines Erwerbs oder nach Kenntnis von Amts wegen gem. § 14a Außenwirtschaftsgesetz zwei Monate Zeit hat, um das Prüfverfahren zu eröffnen. Andernfalls gilt die Freigabe des der Investition bzw. des Erwerbs per Fiktion als erteilt.

Zielunternehmen war im konkreten Fall eine deutsche Raffinerie, deren Anteile zu einem gewissen Prozentsatz von der Eigentümerin Nr. 1 gehalten wurden. Ein Mehrheitsanteil befand sich in der Hand der Eigentümerin Nr. 2, welche auch ein Vorkaufsrecht auf den Anteil der Eigentümerin Nr. 1 besaß.

Die britische Erwerberin schloss mit der Eigentümerin Nr. 1 einen Kaufvertrag über den Erwerb von deren Anteilen an der Raffinerie. Das SPA sah als aufschiebende Bedingungen unter anderem den Verzicht auf bzw. die Nichtausübung des Vorkaufsrechts durch die Eigentümerin Nr. 2 sowie die Nicht-Untersagung des Erwerbs durch das BMWK vor. Die Erwerberin meldete den Erwerb gem. § 55a Abs. 4 S. 1 AWV dem BMWK, welches daraufhin ein Prüfverfahren nach § 55 Abs. 1 AWV eröffnete.

Zum Unglück der Erwerberin übte die Eigentümerin Nr. 2 ihr Vorkaufsrecht an den Anteilen der Eigentümerin Nr. 1 aus, wodurch der geplante Erwerb zunächst scheiterte.  Die Erwerberin erklärte daraufhin das Investitionsprüfverfahren gegenüber dem BMWK für gegenstandslos.

Nach einiger Zeit wurden die Vertragsverhandlungen zwischen der Erwerberin und der Eigentümerin Nr. 1 wieder aufgenommen. Die Erwerberin meldete den geplanten Erwerb erneut dem BMWK. Eine erneute Mitteilung durch das BMWK, dass das Prüfverfahren (erneut) eröffnet wurde, erfolgte jedoch nicht. Kurz darauf kündigte die Eigentümerin Nr. 1 den mit der Erwerberin abgeschlossenen Kaufvertrag. Die Erwerberin und die Eigentümerin Nr. 1 streiten bis heute (Stand Februar 2024) über den Bestand des Kaufvertrags.

Einige Monate später stellte das BMWK das Investitionsprüfverfahren durch einen an die Erwerberin gerichteten Bescheid ein und begründete die Einstellung damit, dass aufgrund des ausgeübten Vorkaufsrechts der Eigentümerin Nr. 2 sowie der Kündigung des Kaufvertrages durch die Eigentümerin Nr. 1 kein Erwerbsgeschäft vorliegen würde. Dies sei indes zwingende Voraussetzung des Investitionsprüfverfahrens.

Da die Erwerberin durch diesen Bescheid den weiterhin von ihr angestrebten Erwerb bedroht sah, erhob sie unter anderem Feststellungsklage vor dem VG Berlin und begehrte die Feststellung, dass der Erwerb fiktiv als nach den investitionskontrollrechtlichen Vorschriften freigegeben gilt. Die Klage hatte Erfolg.

Das VG Berlin stufte den Einstellungsbescheid des BMWK als Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG ein und stellte fest, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für die Einstellung des Investitionsprüfverfahrens gefehlt habe, wodurch der Einstellungsbescheid rechtswidrig gewesen sei.

Da das BMWK nach der (zweiten) Meldung des Erwerbs das Investitionsprüfverfahren nicht fristgerecht eröffnet habe, gelte die Freigabe nach § 58a Abs. 2 Alt. 2 AWV i. V. m. § 14a Abs. 1 AWG (Fiktion) als erteilt. Die Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Kündigung des Kaufvertrags durch die Eigentümerin Nr. 1 stehe dem nicht entgegen, da nicht evident sei, dass das Erwerbsgeschäft in keinem Falle mehr realisierbar ist. Somit steht nach Ansicht des VG Berlin ein noch streitiger Erwerbsanspruch einer Entscheidung des BMWK im Investitionskontrollverfahren bzw. der Freigabefiktion nicht entgegen.

Sollten sich die Erwerberin und die Eigentümerin Nr. 1 also noch einigen, gilt der Erwerb als durch das BMWK als freigeben. Berufung und Sprungrevision wurden zugelassen. Ob gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel eingelegt wurde, ist nicht bekannt.

Aus dieser Entscheidung sollte die Praxis bei internationalen Unternehmenserwerben die folgenden Learnings mitnehmen:

  1. Es lohnt sich doch, Entscheidungen des BMWK nicht im wörtlichen Sinne „klaglos“ hinzunehmen. Das BMWK darf und muss mitunter in Unternehmenstransaktionen und damit in Grundrechtspositionen eingreifen, muss aber auch Transaktionen ermöglichen, wenn das Gesetz es vorsieht. Es gibt in beide Richtungen keine Entscheidung ohne Rechtsgrundlage.
  2. Es lohnt sich immer, das BMWK im Verlauf einer „bewegten“ Transaktion auf dem Laufenden zu halten. So werden die Prüffristen ggf,. neu ausgelöst, die Fiktionswirkung kann dann aber auch frühestmöglich eintreten.

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