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24.06.2024

Das neue Beschlussmängelrecht der Personengesellschaft

"Der kluge Mann baut vor." – Jetzt Gesellschaftsverträge anpassen

Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern sind meist nicht nur hoch-komplex, sondern für die Betroffenen auch extrem belastend und nicht selten existenzgefährdend. Dabei stellt die Beschlussfassung der Gesellschafter einen besonderen Austragungsort für Gesellschafterstreitigkeiten dar. Dies gilt umso mehr für die Personengesellschaft.

Seit Jahresbeginn 2024 gelten durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), Partnerschaft (PartG), offene Handelsgesellschaft (OHG), Kommanditgesellschaft (KG) und die GmbH & Co. KG neue Regelungen für Beschlussfassung und Beschlussmängel. Diese neuen Regelungen ergeben sich letztlich aus einer Anpassung des Rechts der Personengesellschaften an das Beschlussmängelrecht der Kapitalgesellschaften (GmbH und Aktiengesellschaft).

In Ermangelung gesetzlicher Regelungen zu Beschlussfassung und -mängeln und trotz einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen bestand für Personengesellschaften große Unsicherheit in Bezug auf die Voraussetzungen für Gesellschafterbeschlüsse sowie die Folgen mangelhafter Beschlüsse. Die am 1. Januar 2024 in Kraft getretene Gesetzesreform soll diesen unbefriedigenden Zustand beheben und klare gesetzliche Regelungen schaffen. Aber obwohl diese Neuregelung bereits seit gut einem halben Jahr in Kraft sind, haben sich viele Personengesellschaften immer noch nicht auf diese neue Situation eingestellt und ihre Gesellschaftsverträge angepasst.

Das neue Beschlussmängelrecht (Anfechtungsmodell)

Mit Einführung des MoPeG gilt nun für OHG, KG und GmbH & Co. KG das sog. Anfechtungsmodell, wenn nicht die Gesellschafter individuell andere Regelungen getroffen haben (sog. Opt out). Damit sind nun fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich wirksam, aber anfechtbar (§§ 110 ff. der neuen Fassung des Handelsgesetzbuches, HGB). Einzig in besonderen Fällen sind fehlerhafte Beschlüsse von Anfang an nichtig. Nämlich nur dann, wenn sie durch ihren Inhalt gegen grundlegende, unverzichtbare Rechtsvorschriften verstoßen (§ 110 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HGB). Dazu gehören wesentliche Rechte der Gesellschafter wie deren Informations-, Teilnahme- oder Stimmrecht. Ist ein Beschluss wegen solch schwerwiegender Fehler von Anbeginn nichtig, können weder Gesellschaft noch Gesellschafter aus diesem Rechtsfolgen ableiten; die Nichtigkeit kann von jedem Gesellschafter auch noch Jahre später geltend gemacht werden – was naturgemäß erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge hat.

Im Regelfall der Anfechtbarkeit entfaltet der fehlerhafte Beschluss seine volle Wirkung, wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist angefochten wird. Das gilt insbesondere für die Verletzung von dispositiven Vorschriften, also solchen, auf deren Einhaltung die Gesellschafter verzichten können. Hierzu gehören insbesondere eine mangelhafte Ankündigung von Tagesordnungspunkten oder die fehlende Versammlungsladung. Solche Mängel müssen nach § 112 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 HGB innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe des Beschlusses durch Anfechtungsklage geltend gemacht werden, wenn keine anderen Fristen im Gesellschaftsvertrag vereinbart wurden. Obwohl dabei die Anfechtungsklage gegen die Gesellschaft selbst zu richten ist, wirkt das Urteil auch für und gegen alle Gesellschafter. Das Gesetz stellt damit sicher, dass bei Uneinigkeit über anfechtbare Beschlussmängel schnell eine gerichtliche Entscheidung gesucht wird. Erfolgt keine Klage innerhalb der Anfechtungsfrist, so erhalten die Gesellschaft und ihre Gesellschafter Rechtssicherheit über die Wirksamkeit des Beschlusses.

Das alte Beschlussmängelrecht (Feststellungsmodell)

Für GbR und PartG gilt im Gegensatz das neue Anfechtungsmodell indes nur, wenn die Gesellschaft hierfür optiert (Opt in-Modell). Anderenfalls bleibt es bei dem bisher geltenden sog. Feststellungsmodell.

Nach dem Feststellungsmodell ist ein formell und/oder inhaltlich fehlerhafter Gesellschafterbeschluss nichtig, gleich wie schwerwiegend der Fehler ist. Auf die Nichtigkeit kann sich jeder Gesellschafter berufen, und zwar unabhängig von einer bestimmten Frist. Dies birgt naturgemäß die erhebliche Rechtsunsicherheit in sich, weil die Feststellung der Nichtigkeit auch noch lange nach der Beschlussfassung erfolgen kann. Dabei ist die insofern statthafte Klage auf Feststellung der Nichtigkeit nicht gegen die Gesellschaft selbst, sondern gegen jeden Gesellschafter zu richten, der sich auf die Wirksamkeit des Beschlusses beruft, mit der Folge, dass Gesellschafter in aller Regel gegen ihre Mitgesellschafter klagen, weil nur so ein Urteil mit Wirkung gegen alle Gesellschafter erlangt werden kann.

Es ist deshalb in der Praxis immer wieder zu erleben, dass Gesellschafter die Fehlerhaftigkeit eines bereits länger zurückliegenden Beschlusses einzig deshalb geltend machen, um in einer aktuellen Situation ihre Position gegenüber anderen Gesellschaftern zu stärken. Gerade bei wichtigen Beschlüssen, wie Geschäftsführerbestellung und -abberufung, Rechnungsabschluss und Ergebnisverwendung sowie beim Ausschluss von Gesellschaftern, haben die Gesellschaft und Gesellschafter aber ein starkes Interesse an einer Rechtssicherheit, die das klassische Feststellungsmodell schlicht nicht bietet. Den Gesellschaftern steht es deshalb frei, von diesem Modell abzuweichen und sich für das neue Anfechtungsmodell zu entscheiden (Opt in).

Deswegen hatten viele Gesellschaften bereits in der Vergangenheit das für sie geltende Beschlussmängelrecht individuell und nach dem Vorbild des Beschlussmängelrechts der Kapitalgesellschaften ausgestaltet. Seit Jahresbeginn dürfte es sinnvoller sein, auf die entsprechenden Regelungen der OHG, KG sowie GmbH & Co. KG nach §§ 110 ff. HGB zu verweisen, um solche Streitigkeiten zu vermeiden.

Regelungen zu Gesellschafterversammlungen und Gesellschafterbeschlüssen

Aber das MoPeG hat nicht nur das Beschlussmängelrecht bei den Personengesellschaften verändert. Vielmehr wurden im neuen § 109 HGB nun auch Regelungen zur Beschlussfassung bei Personenhandelsgesellschaften geschaffen. Zu diesen neu hinzugekommenen Regelungen gehört z. B., dass bei OHG, KG und GmbH & Co. KG Beschlüsse grundsätzlich nur in Versammlungen gefasst werden dürfen (§ 109 Abs. 1 HGB), Versammlungen durch geschäftsführungsbefugte Gesellschafter formlos, aber in angemessener Frist einberufen werden können (§ 109 Abs. 2 HGB) und Beschlüsse in aller Regel einstimmig zu fassen sind (§ 109 Abs. 3 HGB). Wird im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass Beschlüsse „nur“ einer bestimmten Mehrheit bedürfen, etwa der einfachen Mehrheit oder einer Dreiviertel-Mehrheit, dann ist nach § 109 Abs. 4 HGB die Versammlung beschlussfähig, wenn diese Mehrheit anwesend oder vertreten ist (§ 109 Abs. 4 HGB).

Fazit und Empfehlung

Das nun auch für Personengesellschaften geltende oder jedenfalls vereinbare Anfechtungsmodell bringt einen erheblichen Mehrgewinn an Rechtssicherheit. Unklarheiten könnten sich allerdings nun dadurch ergeben, dass der aktuelle Gesellschaftsvertrag bereits (eigene vertragliche) Regelungen zu Beschlussmängeln enthält, die jedoch die neue Gesetzeslage nicht berücksichtigen. Deshalb sollten alle Gesellschaften ihre bisherigen vertraglichen Abreden kritisch prüfen und im Zweifelsfall neue, eigene, individuelle und vor allem an die neue Rechtslage angepasste Regelungen treffen, um Streitigkeiten aufgrund der neuen Gesetzeslage zu vermeiden. Es dürfte daher auch noch ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der Neuregelung immer noch empfehlenswert sein, das vertragliche Beschlussmängelrecht anhand der neuen gesetzlichen Regelungen der OHG, KG sowie GmbH & Co. KG nach §§ 110 ff. HGB (Anfechtungsmodell) neu auszugestalten.

Auch wenn bereits die nun geltende Gesetzeslage zu Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung in der Personengesellschaft einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage darstellt, sollten diese im Gesellschaftsvertrag weiter ergänzt und spezifiziert werden. Empfehlenswert sind vor allem Regelungen darüber, in welcher Form und mit welcher Frist zu Gesellschafterversammlungen eingeladen werden soll und ob Gesellschafterbeschlüsse lediglich in Präsenz oder auch per Telefon- oder Videokonferenz gefasst werden können. Sinnvoll sind weitere Regelungen zum Ablauf der Gesellschafterversammlungen, insbesondere zur Versammlungsleitung, Feststellung und Protokollierung der Beschlüsse.

Dies gilt umso mehr für die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und nicht im HGB normierte GbR (und in dessen Folge für die PartG), weil grundsätzlich nach § 714 BGB hier Beschlüsse der Zustimmung aller stimmberechtigten Gesellschafter bedürfen (Einstimmigkeit). Weitere und genauere Bestimmungen, insbesondere zu Einberufung, Ablauf und Formalien der Beschlussfassung sind im BGB historisch bedingt nicht enthalten. Hier ist jede Gesellschaft gehalten, eigenständig ihr Innenrecht mittels vertraglicher Regelungen zu schaffen, die auch im Streitfall tragfähige und klare Entscheidungen erlauben.

Gerne steht Ihnen Dr. Thomas Hausbeck, LL.M. und das Corporate Team von SKW Schwarz für Fragen im Zusammenhang mit einer Aktualisierung und Neugestaltung Ihrer gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur Seite.

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