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21.01.2022

Fall des Monats in IP: „Alt auf Neu“ bzw. Das Werben mit alten Testurteilen

Aus Sicht des Herstellers sind positive Testurteile über das eigene Produkt immer ein Anlass zur Freude. Schließlich bestätigen diese die Anstrengungen, die in dessen Herstellung und Qualität gesteckt wurden. Solche Bewertungen wirken sich aber auch verkaufsfördernd aus. Nicht selten steigern sich die mit dem Produkt generierten Umsätze ab Veröffentlichung des Produkttests gewaltig. Denn für viele Verbraucher stellt ein positives wie negatives Testurteil vertrauenswürdiger Stellen wie die Stiftung Warentest oder Öko-Test ein entscheidendes Verkaufsargument dar. Mitunter richten sich Verbraucher bei der Auswahl des zu kaufenden Produkts auch nur danach. Daher lohnt sich das Werben mit den Testurteilen für Hersteller wie Zwischenhändler.

Aus rechtlicher Sicht sind bei der Werbung mit Testurteilen indes einige Fallstricke zu beachten. Dies fängt mit der Frage an, ob überhaupt das Logo und das Ergebnis für die eigene Produktwerbung verwendet werden darf oder ob gegebenenfalls ein Lizenzvertrag zu schließen ist (so z.B. bei Testergebnissen der Stiftung Warentest und der Werbung mit deren Siegel). Auch gilt es darauf zu achten, sich dem Vorwurf der Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG oder der unlauteren vergleichenden Werbung nach § 6 UWG nicht auszusetzen. Die Rechtsprechung hat dazu einige Grundsätze entwickelt, wann eine solche Werbung wettbewerbsrechtlich zulässig ist und wann nicht. Danach sind u.a. zu berücksichtigen, wie die Fundstelle des Tests anzugeben ist, auf welches Produkt sich der Test bezieht und wie das Produkt im Verhältnis zur Konkurrenz abgeschnitten hat. Relevant kann aber auch sein, wie alt das Testergebnis ist und ob nicht schon neuere Tests durchgeführt worden sind.

Die Entscheidung Öko-Test III

Mit dem letzten Punkt hatte sich jüngst der Bundesgerichtshof (BGH Urteil vom 16.12.2021 – I ZR 201/20) – über Umwege ins Markenrecht – in unserem Fall des Monats im IP beschäftigt. Soviel vorweg: wirklich überraschend ist das Urteil nicht.

Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen dem Verbrauchermagazin „Öko-Test“ (Klägerin) und einer Herstellerin von Zahncreme (Beklagte). Im Jahr 2005 bewertete Öko-Test eine Zahncreme der Beklagten im Rahmen eines Vergleichstests mit dem Testurteil „sehr gut“ und gestattete ihr das Werben mit dem Öko-Test-Zeichen auf Grundlage eines unentgeltlichen Lizenzvertrages. Drei Jahre später führte Öko-Test einen weiteren Vergleichstest für Zahnpasta durch, dieses Mal mit anderen Prüfkriterien und ohne eines der Produkte der Beklagten. Das hielt letztere nicht davon ab, noch in den Folgejahren die zuvor getestete Zahncreme mit dem Öko-Test-Zeichen sowie dem Testurteil aus dem Jahr 2005 zu versehen und – wie von den Gerichten angenommen – bis mindestens nach Eintragung des Zeichens als EU-Marke zu vertreiben. Dagegen wehrte sich Öko-Test u.a. mit dem Argument, dass die Werbung mit dem Test-Siegel die nunmehr bestehenden Markenrechte verletzt. Die Beklagte knüpfe an den guten Ruf der Marke des Verbrauchermagazins an, um auf die Qualität ihres Produkts hinzuweisen.

Der BGH entschied nun, dass Öko-Test mit dieser Einschätzung richtiglag. Das Werben mit einem älteren Testergebnis sei im vorliegenden Fall irreführend und somit unlauter. Das Verbrauchermagazin habe daher ein berechtigtes Interesse daran, dass ihr bekanntes Zeichen nicht für eine Werbung mit einem überholten Testergebnis verwendet wird, um das Vertrauen der Verbraucher in die Verlässlichkeit ihrer Tests nicht zu beeinträchtigen.

Die Herstellerin der Zahncreme wendete zwar ein, dass sich an dem Testergebnis aus dem Jahr 2005 für ihre Zahncreme nichts geändert hat. Ihr Produkt sei nicht Gegenstand des neueren Tests gewesen und das ursprüngliche Testergebnis auch nicht durch zwischenzeitliche technische Entwicklungen, wissenschaftliche Erkenntnisse oder wesentlich geänderte Testkriterien überholt. Diesen Einwand umging der BGH aber, indem er die Irreführung und letztlich die Rufausnutzung mit dem neuen Test begründete. Öko-Test habe durch neue Prüfkriterien und Bewertungsmaßstäbe für die fortdauernde Aussagekraft des früheren Testergebnisses keine Gewähr übernommen. Hingegen habe Öko-Test ein Interesse daran, die Werbung mit ihrer Marke darauf zu kontrollieren, ob sie auch ihren neuen testbezogenen Maßstäben genügt. Deshalb könne das Verbrauchermagazin auch entscheiden, ob bei einem neueren Test der Produktgruppe mit veränderten Testkriterien das einem früheren Test unterzogene Produkt durch die Verwendung ihrer Marke weiter als von ihr getestet dargestellt werden darf.

Was das Urteil für die Praxis bedeutet

So absehbar diese rechtliche Einschätzung durchaus auch war, unumstritten ist sie nicht. Denn es ist weiterhin nicht höchstrichterlich entschieden, ob das Werben mit einem älteren Testergebnis tatsächlich wettbewerbsrechtlich zulässig ist, wenn das zunächst getestete Produkt später bei veränderten Prüfkriterien nicht mehr getestet wird. Mit dem Umweg über das Markenrecht und der Frage einer Rufausnutzung ist der BGH diesem Streit elegant aus dem Weg gegangen. Für den Rechtsanwender ist das zwar nicht sehr erfreulich. Eine klarere Aussage wäre wünschenswert gewesen. Allerdings dürfte die Unklarheit eher geringere Auswirkungen auf das Werben mit Testurteilen haben, wenn die Bewertungen wie hier von den großen bekannten Verbrauchermagazinen stammen. Denn deren Logos und Zeichen sind regelmäßig markenrechtlich geschützt.

Aus Sicht des werbenden Unternehmens sind folgende Dinge mitzunehmen:

  • Bevor ein fremdes Testergebnis für die Bewerbung des bewerteten Produkts verwendet wird, sollte Rücksprache mit der eigenen Rechtsabteilung oder mit einer Rechtsanwältin/einem Rechtsanwalt gehalten werden. Ohne vorherigen juristischen Rat besteht die Gefahr, sich eine Abmahnung oder gar eine einstweilige Verfügung einschließlich Schadensersatz etc. „einzufangen“.
  • Je nach Testinstitut kann ein (Lizenz-)Vertrag erforderlich sein, damit das Testsiegel für die Werbung verwendet werden darf. Einen solchen bedarf es gegebenenfalls auch dann, wenn das Testsiegel selbst nicht markenrechtlich geschützt ist.
  • Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung des Markenschutzes im Allgemeinen und die Vorteile einer bekannten Marke im Besonderen. Es lohnt sich also, Zeit und Energie sowohl in die eigenen Produkte als auch in eine umfassende Markenstrategie zu stecken.

Übrigens: Auch für den Fall, dass das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, liefert das Urteil wichtige Erkenntnisse. Wenn wie im vorliegenden Fall ausschließlich unentgeltliche Lizenzen an der verletzten Marke erteilt wurden, scheidet die Bemessung des Schadensersatzes anhand einer sog. Lizenzanalogie aus. Denn wenn kein Entgelt verlangt wird, kann auch nicht berechnet werden, was hypothetisch erlangt worden wäre, hätte der Verletzer einen Lizenzvertrag mit dessen Inhaber abgeschlossen, statt unberechtigt die Marke zu nutzen. Allerdings kann der Inhaber seinen Schaden noch anhand des Gewinns berechnen (sog. Verletzergewinn), den die andere Partei aufgrund der Nutzung der Marke (i.d.R. Vertrieb der Produkte mit dem fremden Zeichen) erzielt hat.

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