Alle News & Events anzeigen
01.03.2024

GmbH: Zum einstweiligen Rechtsschutz gegen die streitige Gesellschafterliste

Im Streit um die Richtigkeit der beim Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste kommt der Rechtsschutz in langwierigen Hauptsacheverfahren häufig zu spät und bietet dem ausgestoßenen Gesellschafter keinen wirksamen Rechtsschutz. Zugleich wurden die Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes von Teilen der Rechtsprechung in der Vergangenheit eher restriktiv gehandhabt. Das Kammergericht hat seine einst restriktive Rechtsprechung nun neu justiert.

Bedeutung der Gesellschafterliste

Überziehen sich streitende Gesellschafter einer GmbH wechselseitig mit Vorwürfen, entsteht mitunter der Wunsch, sich des jeweils opponierenden Mitgesellschafters schlicht zu entledigen. Auch ohne Streit gibt es Gründe, einen Gesellschafter zum Wohle der Gesellschaft auszuschließen; typische Gründe sind etwa die Insolvenz eines Gesellschafters oder die Zwangsvollstreckung in seine Geschäftsanteile. Ob derlei Gründe tatsächlich vorliegen, ist nicht selten gerichtlich auszutragen. Gleiches gilt, wenn die Wirksamkeit einer Anteilsübertragung und damit auch des Gesellschafterwechsels in Zweifel steht. Während die Gerichtsverfahren sich Jahre ziehen können, schafft § 16 Absatz 1 Satz 1 GmbHG jedoch schon Fakten:

„Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs seiner Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist.“

Als Gesellschafter behandelt wird also nur, wer in der beim Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste geführt wird. Der gelöschte Gesellschafter verliert damit praktisch sämtliche Gesellschafterrechte. Ob die Liste richtig oder falsch ist, spielt dabei keine Rolle, man spricht von der „formellen Legitimationswirkung“ der Gesellschafterliste.

Selbst wenn der gelöschte Gesellschafter Jahre später Recht bekäme, verfügen die formell gelisteten Gesellschafter in der Zwischenzeit über uneingeschränkte Rechtsmacht. Sie können etwa Personal-, Geschäfts- oder auch Strukturentscheidungen bis hin zur Auflösung der Gesellschaft treffen. Rückgängig machen lässt sich dies in den wenigsten Fällen.

Einstweiliger Rechtsschutz

Vor diesem Hintergrund kommt dem gerichtlichen Eilrechtsschutz besondere Bedeutung zu, denn zwischen Fassung der streitigen Beschlüsse, Einreichung und Annahme der neuen, (streitigen) Gesellschafterliste liegen mitunter nur wenige Wochen. Verteidigungsmittel der Wahl ist die einstweilige Verfügung gemäß §§ 935, 940 Zivilprozessordnung. Je nach Konstellation kommt hier eine Unterlassungsverfügung oder eine Leistungsverfügung in Betracht.

Die Unterlassungsverfügung ist auf die (vorläufige) Unterlassung einer bestimmten Handlung gerichtet, welche droht, aber noch nicht stattgefunden hat. Sie dient der Verhinderung eines irreversiblen Verstoßes gegen eine Unterlassungspflicht. Demgegenüber spricht die Leistungsverfügung gerade eine Verpflichtung zur Vornahme einer irreversiblen Handlung aus und nimmt damit faktisch das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens vorweg.

Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Leistungsverfügung zulässig ist, wird in der Rechtsprechung seit jeher uneinheitlich bewertet. Daher hing es nach der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte mitunter vom Zeitpunkt ab, ob sich ein Gesellschafter gegen den faktischen Vollzug seines Ausschlusses zur Wehr setzen konnte oder nicht.

  1. Verhinderung der drohenden Beschlussfassung
    Der denkbar frühste Verteidigungsansatz wäre die Untersagung der betreffenden Beschlussfassung über die Einziehung der Geschäftsanteile selbst. Allerdings bedeutet die Untersagung einer bestimmten Beschlussfassung einen gravierenden Eingriff in die Willensbildung der GmbH. Daher wird die Verhinderung der Beschlussfassung nach überwiegender Rechtsprechung – wenn überhaupt – nur in engen Ausnahmefällen für zulässig gehalten, wenn schwerwiegende Beeinträchtigungen der Mitgesellschafter sich nicht anders abwenden lassen, oder bei besonders eindeutiger Sachlage.

    Dass dies kaum je der Fall ist, verdeutlicht der Beispielsfall des Einziehungsbeschlusses: Eine beschlossene Einziehung von Geschäftsanteilen wird erst durch Mitteilung des Beschlussergebnisses an den betroffenen Gesellschafter wirksam. Und auch der faktische Entzug der Gesellschafterrechte droht nach § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG erst durch Hinterlegung einer geänderten Gesellschafterliste beim Handelsregister. Daher genügt es regelmäßig, allein die Umsetzung des entsprechenden Beschlusses durch Mitteilung und/oder Einreichung einer geänderten Liste zum Handelsregister vorläufig zu untersagen.
     
  2. Verhinderung der drohenden Listeneinreichung
    In diesem Lichte entsprach es seit längerem der vorherrschenden Literaturauffassung, dass die drohende formelle Legitimationswirkung Anlass für eine einstweilige Untersagung der Einreichung einer (falschen) Gesellschafterliste beim Handelsregister sein kann.

    In der Rechtsprechung vertrat namentlich das Kammergericht in Berlin die Auffassung, eine Untersagung der Einreichung der Gesellschafterliste beim Handelsregister komme nicht in Betracht, weil regelmäßig mildere Mittel zur Verfügung stünden, um die Rechte des zu Unrecht gelöschten Gesellschafters vorläufig zu sichern (Beschluss vom 24.08.2015, 23 U 20/15 und Urteil vom 06.01.2015, 23 W 2/15).

    Demgegenüber hatte der Bundesgerichtshof bereits 2013 erkennen lassen, dass der Betroffene Gesellschafter die Untersagung der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgen könne (Urteil vom 17.12.2013, II ZR 21/12). Mit Urteil vom 02.07.2019 (II ZR 406/17) wurde er deutlicher und er stellte klar: Dem von einer möglicherweise fehlerhaften Einziehung seines Geschäftsanteils betroffenen Gesellschafter muss ein effektives Mittel zur Verfügung gestellt werden, seine Entrechtung in der Gesellschaft während der Dauer des Rechtsstreits über die Einziehung zu verhindern. Begleitend zur Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen den Einziehungsbeschluss könne der Gesellschafter daher im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes das Verbot erwirken, eine neue Gesellschafterliste, in der er nicht mehr aufgeführt ist, bei dem Registergericht einzureichen. Damit war in der Rechtsprechung geklärt, dass die präventive Untersagung der Einreichung einer Gesellschafterliste im Wege der einstweiligen Verfügung möglich ist.
     
  3. Korrektur der bereits hinterlegten Liste
    Ungeklärt blieb die Frage nach einstweiligem Rechtsschutz gegen eine bereits eingereichte Gesellschafterliste. Sobald die Liste beim Handelsregister hinterlegt ist, gilt an sich die formelle Legitimationswirkung: Die „Entrechtung“ des gelöschten Gesellschafters ist faktisch vollzogen und lässt sich durch eine präventive Unterlassungsverfügung nicht mehr verhindern.

    Eilrechtsschutz ist dann nur noch in Form der Leistungsverfügung denkbar (s.o.), mit der die Gesellschaft zur Einreichung einer neuen, korrigierten Gesellschafterliste verpflichtet. Anders als bei der Unterlassungsverfügung wird damit aber gerade eine Verpflichtung zur Vornahme einer faktisch irreversiblen Handlung ausgesprochen. Da dies dem Wesen des „vorläufigen“ Rechtsschutzes widerspricht, gelten hier deutlich höhere Anforderungen als im Fall der Unterlassungsverfügung. Das Kammergericht hatte aus diesem Grunde bislang die Auffassung vertreten, die Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste könne nicht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erzwungen werden (Urteil vom 06.01.2015, 23 W 2/15; ähnlich OLG Jena, Urteil vom 24.08.2016, HK O 81/15).

    Das OLG München hat die Frage in einer Entscheidung von 2021 indessen bejaht und sich damit gegen das Kammergericht gestellt (Beschluss vom 26.03.2021, 12 HKO 3978/21). Es sei nicht einzusehen, eine Korrektur der Gesellschafterliste im Eilverfahren abzulehnen, wenn der BGH die präventive Untersagung bejaht. Dem hat sich nunmehr auch das Kammergericht angeschlossen und seine vormals strenge Linie aufgegeben. Das vom BGH aufgestellte Erfordernis, dem Gesellschafter müsse ein effektives Mittel zur Verfügung stehen, seine Entrechtung in der Gesellschaft während der Dauer des Rechtsstreits über die Einziehung zu verhindern bzw. seine streitige Gesellschafterstellung bis zur Klärung der Wirksamkeit der Einziehung zu sichern, treffe gleichermaßen für die nachträgliche Beseitigung der (möglicherweise) falschen Liste zu. Andernfalls würde sein Rechtsschutz von zeitlichen Zufälligkeiten abhängen, welche insbesondere denjenigen Gesellschafter benachteiligten, der aufgrund eines Ladungsfehlers gar keine Kenntnis von der Einziehung seiner Geschäftsanteile hat.

    Dabei stellt das Kammergericht durchaus in Rechnung, dass auch in diesem Fall als milderes Mittel eine bloße Anordnung in Betracht käme, den betroffenen Gesellschafter trotz entgegenstehender Gesellschafterliste vorläufig weiter als Mitgesellschafter zu behandeln.

    Einen Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste bejahte das Kammergericht gleichwohl „jedenfalls dann, wenn das Vorgehen der beklagten Gesellschaft erkennbar darauf ausgerichtet ist, einen effektiven präventiven Rechtsschutz des Gesellschafters zu vereiteln.“ Hiervon sei im entschiedenen Fall deshalb auszugehen gewesen, weil die Gesellschaft die neue Gesellschafterliste bereits eingereicht hatte, bevor sie die betroffene Gesellschafterin über die Einziehung ihrer Anteile informierte, und ohne ihr eine Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen.

Fazit

Die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen setzt nicht nur eine ordnungsgemäße Einberufung und Durchführung der Einziehungsversammlung voraus, sondern außerdem die Mitteilung der erfolgten Beschlussfassung an den betroffenen Gesellschafter. Zusätzlich ist der betroffene Gesellschafter vor seiner Löschung aus der Gesellschafterliste anzuhören. Dieses Prozedere stellt sicher, dass er auf die Wahrung seiner Gesellschafterrechte hinwirken und sie notfalls gerichtlich durchsetzen kann, und zwar gerade auch unter Inanspruchnahme des vorbeugenden Eilrechtsschutzes, bevor seine „Entrechtung“ faktisch vollzogen ist.

Werden diese Schutzvorkehrungen von der Geschäftsführung (ggf. gar gezielt) unterlaufen, darf dies nicht zu einer Rechtsschutzverkürzung zulasten des betroffenen Gesellschafters führen. Die Entscheidung des Kammergerichts überzeugt daher – und zeigt zugleich Grenzen auf: Eine Korrektur der bereits hinterlegten Gesellschafterliste im Eilrechtsschutz kam nur in Betracht, weil der betroffenen Gesellschafterin ein präventives Einschreiten vereitelt wurde, indem die neue, streitige Gesellschafterliste eingereicht wurde, bevor der streitige Einziehungsbeschluss der betroffenen Gesellschafterin überhaupt mitgeteilt und sie zum bevorstehenden Vollzug des Beschlusses durch Änderung der Gesellschafterliste angehört wurde.

Dem von einer möglicherweise unrechtmäßigen Einziehung betroffenen Gesellschafter ist daher weiterhin unbedingt zu raten, sich so früh wie möglich gegen den Vollzug des Beschlusses zur Wehr zu setzen. Eine nachträgliche Korrektur der Gesellschafterliste im einstweiligen Rechtsschutz bleibt ultima ratio und die Voraussetzungen sind hoch. Umgekehrt sind die Geschäftsführer der Gesellschaft gut beraten, penibel auf die Einhaltung der entsprechenden Verfahrensvorgaben zu achten – dies nicht zuletzt, weil sie für Verstöße nach § 40 Absatz 3 GmbHG persönlich in der Haftung stehen.

    Teilen

  • LinkedIn
  • XING