Das Thema Künstliche Intelligenz ist in aller Munde – und auch vor der Musikbranche macht die KI nicht Halt. KI komponiert, KI schreibt Songtexte, KI ahmt Musikstile nach und imitiert Stimmen bekannter Interpreten.
So sorgte zuletzt der Song „Heart on my sleeve“ für Wirbel und löste eine Debatte um erforderliche Grenzen für künstliche Intelligenz in der Musikbranche aus. Zunächst hochgeladen von einem anonymen Nutzer auf TikTok, verbreitete sich der Song rasend schnell auf Social Media und schließlich auch auf Streamingplattformen wie Spotify und Apple, wo er in kürzester Zeit Millionen an Klicks generierte. Was täuschend echt nach einem Duett der Musikstars Drake und The Weeknd klang, entpuppte sich als mit Hilfe einer KI generierter Song mit nahezu perfekt imitierten Stimmen der beiden Künstler.
Was bei den Fans sehr gut ankam, alarmierte die Industrie, allen voran die Plattenlabels. Die Universal Music Group (UMG), bei der sowohl Drake als auch The Weeknd unter Vertrag stehen, hatte bereits vor Veröffentlichung des KI-Songs von den Musikstreamern verlangt, KI-Anbietern den Zugang zu geschützten Songs zu verwehren, um zu verhindern, dass KI-Systeme mit geschützten Inhalten trainiert würden. In Reaktion auf „Heart on my sleeve“ appellierte UMG an die “moralische und kommerzielle Verantwortung“ der Branche. Die Plattformbetreiber entfernten den Song von ihren Diensten.
Doch wie sind Songs wie „Heart on my sleeve“ rechtlich zu bewerten? Stellen sie einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar?
Beurteilt man diese Frage nach deutschem Urheberrecht, so ist sie mit einem klaren Nein zu beantworten, wenn der Song keinerlei Fragmente von anderen vorbestehenden Musiken übernimmt. Denn das Urheberrecht ist werkbezogen und schützt nur die konkrete, individuelle Werkschöpfung. Ein bestimmter künstlerischer Stil hingegen ist nicht geschützt. Songs wie „Heart on my sleeve“, die den Stil bekannter Musiker imitieren, jedoch dabei keine konkreten Melodien, Texte oder andere geschützte Bestandteile (wie etwa Rhythmus, Akkordfolgen, etc.) aus vorbestehenden Werken übernehmen, verstoßen daher nicht gegen das Urheberrecht. Die menschliche Stimme an sich genießt ebenfalls keinen urheberrechtlichen Schutz.
Denkbar ist hingegen ein Verstoß gegen das grundrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Künstler. So schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht zum einen auch vor unautorisierter kommerzieller Auswertung von Persönlichkeitsmerkmalen, zu denen neben dem Abbild, dem Namen insbesondere auch die Stimme einer Person zählt. Bei einer nicht von ihm genehmigten Imitation seiner Stimme kann sich daher ein Künstler mit einem Unterlassungsanspruch wehren.
Auch die Veröffentlichung eines KI-generierten Songs unter dem Namen eines bekannten Künstlers kann diesen in seinen Persönlichkeitsrechten verletzen, da die damit einhergehenden Identitätsverwirrungen laut Rechtsprechung die künstlerische Wertschätzung des Betroffenen beeinträchtigen können. Sofern der Name des betreffenden Künstlers als Marke geschützt ist, kommen auch markenrechtliche Abwehransprüche in Betracht.
Grundrechtsschutz für KI-Kunst?
Viele Fragen sind hingegen noch offen: Kann der Rückgriff auf die Stimme bekannter Künstler im Einzelfall zum Beispiel durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt sein? Mit anderen Worten: Kann sich eine KI auf das Grundrecht der Kunstfreiheit berufen?
Ebenfalls nicht abschließend geklärt ist die urheberrechtliche Bewertung der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke als Trainingsdaten für KI-basierte Systeme. Ob Rechteinhaber die Nutzung ihrer Werke durch Dritte für KI-Training dulden müssen, hängt maßgeblich von der noch nicht abschließend geklärten Frage der Anwendbarkeit der Schrankenbestimmung für Text und Data Mining (§ 44b UrhG) ab.
Regulierung auf EU-Ebene
Klar ist: „Heart of my sleeve“ wird nicht der letzte Fall seiner Art gewesen sein. Täglich werden mit Hilfe von KI generierte Songs auf Social-Media und Musikplattformen veröffentlicht. Mit einem Appell an die ethische Verantwortung der großen Plattformbetreiber wird es dabei wohl nicht getan sein. Vielmehr liegt es nun am Gesetzgeber, die erforderlichen rechtlichen Grenzen zu setzen und den Einsatz von KI im Interesse der Rechteinhaber zu regulieren. Besonderes Augenmerk ist hier auf die KI-Verordnung der EU zu legen, das nun zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament verhandelt wird. Hiernach sollen generative KI-Systeme unter anderem besondere Transparenzanforderungen erfüllen, insbesondere offen legen, wenn Inhalte durch KI erstellt wurden, und ferner Zusammenfassungen urheberrechtlich geschützter Daten veröffentlichen, die für das KI-Training verwendet wurden.