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20.01.2023

Neues Produkthaftungsrecht in der EU – Mit welchen Änderungen ist zu rechnen?

Ende September 2022 hat die Europäische Kommission ihren Entwurf für eine neue Produkthaftungsrichtlinie veröffentlicht. Dieser Entwurf lässt auf weitreichende Veränderungen innerhalb des europäischen Produkthaftungsrechts schließen. Zum aktuellen Zeitpunkt steht jedoch noch nicht fest, wann der Richtlinienentwurf – ggf. nach Änderungen - in Kraft treten wird.

1. Welchen Sinn und Zweck verfolgt die Novelle? 

Die aktuelle Produkthaftungsrichtlinie aus dem Jahr 1985 bietet seit 40 Jahren ein rechtliches Sicherheitsnetz für Bürgerinnen und Bürger, die durch fehlerhafte Produkte geschädigt werden. Sie deckt jedoch nicht den Schutz vor Schäden ab, die durch Produkte neuer digitaler Technologien, wie bspw. KI-gestützte Produkte, entstehen.

Durch den nun vorliegenden Entwurf einer neuen Produkthaftungsrichtlinie durch die EU, werden die Vorschriften an die neuen Produkttypen angepasst, wodurch sowohl die Unternehmen als auch die Verbraucherinnen und Verbraucher von einer klareren Regelung und einer erhöhten Haftung für fehlerhafte Produkte profitieren sollen.

2. Welche Produkte sind konkret erfasst?

Die überarbeitete Produkthaftungsrichtlinie erweitert den Schutz von Verbrauchern auf Schäden, die durch fehlerhafte Softwareprodukte und KI-Systeme verursacht werden. Diese können in andere Produkte integriert sein oder als eigenständiges digitales Produkt auf dem Markt stehen.

Durch diese Erweiterung des Produktbegriffes werden also nicht mehr nur bewegliche Sachen und Elektrizität, sondern auch Software und digitale Produktionsdateien in den Anwendungsbereich der Richtlinie aufgenommen.

3. Welche Neuerungen ergeben sich für die Unternehmen?

Bisheriger Anknüpfungspunkt für die Haftung wegen eines Schadens, der durch ein fehlerhaftes Produkt verursacht wurde, war das Inverkehrbringen des Produktes. Mit dem Entwurf der neuen Produkthaftungsrichtlinie soll dies nicht mehr der alleinige Anknüpfungspunkt für die Produkthaftung sein. Nun soll die Haftung des Herstellers für ein fehlerhaftes Produkt auch dann eintreten können, wenn der Hersteller das Produkt nach dem Inverkehrbringen weiter kontrolliert, bspw. über Softwareupdates. Dies wird als Konsequenz zu einer Produktbeobachtungspflicht, wie sie auch schon aus dem Deliktsrecht bekannt sein sollte, führen, mit dem Unterschied, dass im Produkthaftungsrecht die Haftung verschuldensunabhängig eintritt.

Neben der zeitlichen Erweiterung des Anwendungsbereichs, wird dieser auch in personeller Hinsicht ausgeweitet. Die bisherigen Adressaten der Produkthaftungsrichtlinie, welche verschuldensunabhängig für fehlerhafte Produkte auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden konnten, waren Hersteller, Quasi-Hersteller und der Einführer. Künftig können auch Bevollmächtigte des Herstellers im Sinne des Produktsicherheitsrechts und der Fulfilment-Dienstleister in selbigem Umfang, wie der Hersteller, haften. Bei der Haftung des Fulfilment-Dienstleisters soll es sich allerdings um eine subsidiäre Haftung handeln, die dann greift, wenn weder der Hersteller, Quasi-Hersteller, Einführer, noch Bevollmächtigter des Herstellers in der EU ansässig ist.

Weiterhin werden künftig auch Unternehmen in die Haftung miteinbezogen, die ein Produkt wesentlich verändert haben, soweit diese Änderung nicht mit dem Hersteller abgesprochen war. 

Außerdem sieht der Entwurf der Produkthaftungsrichtlinie der EU vor, dass Unternehmen zukünftig angewiesen werden können, die in ihrem Besitz befindlichen Beweismittel, welche der Kläger zur Begründung seiner Ansprüche braucht, offenzulegen. Wenn sie diesem nicht nachkommen, greift eine Verschuldensvermutung für die Fehlerhaftigkeit des Produktes zulasten des Unternehmers. Diese Änderung ist besonders spannend, da die Normierung einer solchen Offenbarungspflicht der deutschen Prozessordnung grundsätzlich fremd ist und eher aus dem anglo-amerikanischen Rechtssystem bekannt ist.

4. Besteht ein Handlungsbedarf für Unternehmen?

Die weitreichenden Neuerungen zeigen, dass sich für Unternehmer in der Praxis einiges ändern wird. Da es sich zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nur um einen Entwurf handelt, ist es in erster Linie geboten, das Gesetzgebungsverfahren der EU zu verfolgen.

Sofern das Inkrafttreten der Umsetzung der Produkthaftungsrichtlinie absehbar ist, empfiehlt es sich, das eigene Risikomanagement zu überprüfen und die Frage zu klären, ob das eigene Unternehmen Adressat der neuen Produkthaftungsrichtlinie wird, um somit entsprechende Vorkehrungen treffen zu können.

Weiterhin erscheint es auch wichtig in Erfahrung zu bringen, wie die neue Produkthaftungsrichtlinie die bereits durch ihren Vorgänger einbezogenen Adressaten einschränken wird und welche neuen Handlungspflichten sich aus ihr ergeben.

Für Produkte, die bisher der Produkthaftungsrichtlinie nicht unterfielen, ist es ratsam auch hier zu überprüfen, ob die aktuellen Vorkehrungen des Unternehmens ausreichen, um den Anforderungen der neuen Produkthaftungsrichtlinie künftig nachkommen zu können.

Foto: https://couponsnake.com/

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