Neues von der GmbH-Gesellschafterliste
Die Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen durch Gesellschafterbeschluss hat drastische Auswirkungen: Sie führt – ihre Wirksamkeit vorausgesetzt – zur unmittelbaren Vernichtung der Geschäftsanteile und zum sofortigen Untergang der Mitgliedschaftsrechte und -pflichten des betroffenen Gesellschafters. Gesetz und Rechtsprechung knüpfen zwar hohe Anforderungen an eine Zwangseinziehung. Insbesondere müssen in der Satzung der GmbH die Zwangseinziehung und ihre Voraussetzungen unter den Gesellschaftern genau vereinbart worden sein. Die Folgen der Einziehung sind dennoch bemerkenswert, kann sich doch der Betroffene ganz unmittelbar nicht dagegen wehren, dass seine Beteiligung von einem Moment auf den anderen als nicht mehr existent angesehen wird. Sollten die anderen Gesellschafter für die Einziehung einen wichtigen Grund anführen, hat er nicht einmal ein Stimmrecht bei dem Beschluss zur Einziehung seiner Anteile.
Im Rahmen einer Einziehung werden häufig die Geschäftsanteile der verbleibenden Gesellschafter um den Betrag der eingezogenen Geschäftsanteile „aufgestockt“. Die Gesellschaft muss dann den gesamten Vorgang in einer neuen Gesellschafterliste abbilden und zum Handelsregister einreichen. Genau hier kommt ein neues Urteil des Kammergerichts Berlin ins Spiel: Es verwehrt dem von einer Einziehung betroffenen Gesellschafter, der die Einziehung für ungerechtfertigt hält, mit einer sehr rechtstechnischen Argumentation die Möglichkeit, der Gesellschafterliste im Handelsregister einen Widerspruch zuordnen zu lassen (KG Berlin vom 28.6.2023, 23 U 41/23). Aber der Reihe nach:
Die Gesellschafterliste ist im Recht der GmbH enorm bedeutsam. Im Hinblick auf die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter gilt grundsätzlich nur derjenige als Gesellschafter, der in der Gesellschafterliste eingetragen ist. Das gilt selbst dann, wenn die Gesellschafterliste unrichtig sein sollte, d.h. wenn die in der Gesellschafterliste aufgeführten Personen nicht die wahren Inhaber der Geschäftsanteile sind. Unter bestimmten Umständen können dann sogar solche „Nichtberechtigte“ wirksam Geschäftsanteile an gutgläubige Dritte veräußern, so dass die wahren Inhaber ihrer Geschäftsanteile verlustig gehen und auf eine nicht immer Erfolg versprechende Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen angewiesen sind. Diese Gefahr sah auch der von einer Einziehung betroffene Gesellschafter in der Entscheidung des Kammergerichts. Denn in der neuen Gesellschafterliste wurden seine eingezogenen Geschäftsanteile gar nicht mehr ausgewiesen, vielmehr zeigte die Liste stattdessen eine erhöhte Beteiligung der übrigen Gesellschafter. Der betroffene Gesellschafter hielt die Einziehung für ungerechtfertigt und wollte, dass zu der Gesellschafterliste im Handelsregister ein Widerspruch zugeordnet wird. Damit sollte es den anderen Gesellschaftern unmöglich gemacht werden, ihre durch die Einziehung aufgestockte Beteiligung wirksam an gutgläubige Dritte zu veräußern. Er stützte sich auf § 16 Abs. 3 Satz 4 GmbHG, der die grundsätzliche Möglichkeit eines solchen Widerspruchs eröffnet.
Das Kammergericht lehnt das Begehren nun ab, und zwar mit der folgenden Argumentation: § 16 Abs. 3 Satz 4 GmbHG schütze den wahren Inhaber eines Geschäftsanteils davor, dass ein Dritter seinen Geschäftsanteil wirksam gutgläubig von jemandem erwirbt, der fälschlicherweise als Anteilsinhaber in der Gesellschafterliste ausgewiesen ist. Im Fall der Einziehung sei der Geschäftsanteil jedoch überhaupt nicht in der Gesellschafterliste ausgewiesen, daher gebe es auch keinen Geschäftsanteil, den ein Nichtberechtigter wirksam veräußern könnte. § 16 Abs. 3 Satz 4 GmbHG sei auf diesen Fall nicht anzuwenden und ein Widerspruch zur Gesellschafterliste somit nicht zulässig.
Bewertung
Auf den ersten Blick scheint das Urteil des Kammergerichts einen Wertungswiderspruch zu beinhalten: Derjenige, dessen Geschäftsanteil in der Gesellschafterliste fälschlicherweise jemand anderem zugewiesen ist, kann einen Widerspruch zur Gesellschafterliste erwirken. Derjenige, der fälschlicherweise seinen Geschäftsanteil aufgrund Einziehung „verloren“ hat, kann das nicht.
In der Anwendung des Gesetzes aber ist das Urteil des Kammergerichts in sich schlüssig: § 16 Abs. 3 Satz 4 GmbHG bezieht sich systematisch tatsächlich nur auf Geschäftsanteile, die noch in der Gesellschafterliste ausgewiesen sind, wenn auch mit falschem Inhaber. § 16 Abs. 3 Satz 4 GmbHG erfasst – zumindest bei enger Auslegung – nicht die Fälle, in denen Geschäftsanteile in der Gesellschafterliste aufgrund Einziehung gar nicht mehr auftauchen. Sehr aufschlussreich betont das Kammergericht in seiner Entscheidung, dass ein gutgläubiger Erwerb in den Einziehungsfällen auch gar nicht infrage käme: Sei die Einziehung unwirksam gewesen, könnten die erhöhten Beteiligungen der anderen Gesellschafter nicht wirksam gutgläubig erworben werden, da das Gesetz nur den guten Glauben an die Inhaberschaft an den Geschäftsanteilen, aber nicht an die Höhe des Anteilswertes schütze. Ob andere Gerichte dieser Auffassung folgen, bleibt abzuwarten.
Der von einer Zwangseinziehung betroffene Gesellschafter ist durch das Urteil dennoch in seinem Interesse enttäuscht, auf die nach seiner Auffassung unrichtige Gesellschafterliste durch einen Widerspruch hinzuweisen. Nach dem Urteil des Kammergerichts verbleibt ihm zur Verhinderung nur eine schnelle Reaktion: Denn er kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Gesellschaft das Verbot erwirken, dass überhaupt erst eine neue Gesellschafterliste beim Handelsregister eingereicht wird, in der er nicht mehr auftaucht.