Aus 2 Sekunden des Kraftwerk-Titels „Metall auf Metall" werden nahezu 20 Jahre Rechtsgeschichte. Am 14.09.2023 gab der I. Zivilsenat des BGH bekannt, dem EuGH Fragen zur Klärung des urheberrechtlichen Begriffs des Pastiches vorzulegen. Insbesondere sollen die Richter in Luxemburg erläutern, was genau unter einem Pastiche zu verstehen ist. Das sei laut dem Vorsitzenden Richter Thomas Koch aktuell völlig unklar.
Seit der Umsetzung von EU-Recht heißt es in § 51a des Urheberrechtsgesetzes: „Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches“. In einem vorherigen Beitrag vom 14.02.2022 haben unsere KollegInnen Johanna Ludwig und Götz Schneider-Rothhaar bereits erläutert, worum es sich genau bei der neuen Errungenschaft des Pastiche handelt.
Im Gegensatz zu Karikatur und Parodie wird das französische Fremdwort „Pastiche“ im deutschen Sprachgebrauch eher selten verwendet. Gemeint ist damit die stilistische Nachahmung oder die inhaltliche, künstlerische Auseinandersetzung mit Werken, die jegliche Form annehmen kann. Dazu zählen etwa Remixes, Sampling und Memes.
Sachverhalt
Im konkreten Rechtsstreit zwischen der legendären Musikgruppe Kraftwerk und dem Musikproduzenten Moses Pelham geht es um die Nutzung einer 2-sekündigen Sequenz aus dem Kraftwerk-Titel "Metall auf Metall“ in dem von Pelham komponierten und von der Sängerin Sabrina Setlur eingesungenen Stücks „Nur mir“.
Der Musiker hatte diesen Teil der Tonspur leicht verlangsamt in Endlosschleife unter seinen Song gelegt. Eine Erlaubnis hatte er zuvor nicht eingeholt, jedoch ist diese Vorgehensweise („Sampling“) in der Musikindustrie weit verbreitet. Grund für die Übernahme ausgerechnet dieser Sequenz war für Pelham die „musikalische Kälte“ des Klangs, den er für sein Lied passend fand. Kraftwerk-Mitbegründer Ralf Hütter fühlte sich bestohlen und klagte gegen den Hamburger Musikproduzenten.
Das bisherige Verfahren
Das Verfahren zog durch die Gerichte, der BGH nennt in seiner Vorlage ganze 10 Vorinstanzen. Allein die Richter in Karlsruhe haben nun ihre fünfte Entscheidung verkündet. Neben dem EuGH war auch das Bundesverfassungsgericht schon damit befasst. Kürzlich hatte das Oberlandesgericht Hamburg den Klägern Recht gegeben und u.a. festgestellt, dass sie für einen Zeitraum von ca. 18,5 Jahren Schadensersatz verlangen können. Für die Zeit nach Inkrafttreten der obigen Neuregelung wies das Gericht den Schadensersatzanspruch jedoch zurück. Das Gericht stellte fest, dass die Vervielfältigung der Tonfolge von „Metall auf Metall“ und deren Überführung in ein neues eigenständiges Werk durch Sampling nunmehr trotz Nachahmung zulässig sei. Man ließ die Revision für diesen Zeitraum jedoch zu, weshalb es erneut vor den BGH ging.
Frage des BGH
Der Bundesgerichtshof legt jetzt – nach seiner fünften Befassung mit dem Fall – dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob es sich bei Sampling, also der „Technik des Elektronischen Kopierens von Audiofragmenten“ um eine erlaubnisfreie und vergütungsfreie Nutzung im Sinne eines Pastische nach § 51a UrhG, Art. 5 Abs. 3 lit. k) InfoSoc-RiL 2001/29/EG handelt.
Außerdem möchte der BGH wissen, ob die Nutzung in der Absicht erfolgen muss, damit ein Pastiche zu schaffen oder ob es stattdessen ausreicht, dass nur der Charakter als Pastiche als solcher für Dritte erkennbar ist.
Die Veröffentlichung des genannten BGH- Beschlusses und die Entscheidung des EuGH zur Auslegung des Pastiches sind von vor allem deshalb von Interesse, da sie voraussichtlich nicht nur die Frage der Zulässigkeit des Kraftwerk-Samplings klären, sondern unionsweit die allgemeinen Maßstäbe für das Pastiche im Urheberrecht festlegen wird.
Die Beantwortung dieser Fragen dürfte auch für andere als musikalische Werke betreffende Nutzungen vorbestehender Werke von großer Bedeutung sein und wird mit Spannung erwartet.