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24.07.2023

Unternehmenskrisen: Die 7 Todsünden der Geschäftsleitung

Die unterschätzte Gefahr persönlicher Haftung

Ähnlich wie „Die sieben Todsünden“ nach dem Historiker Sebastian Haffner (1964) im Jahr 1918 zum Untergang des deutschen Kaiserreichs geführt haben, gibt es für den Geschäftsleiter einer GmbH, GmbH & Co. KG oder Aktiengesellschaft sieben Todsünden im Zusammenhang mit Krise und Insolvenz. Diese haben zwar nicht einen Reichsuntergang, aber die persönliche Haftung der Geschäftsführung zur Folge. Und das bedeutet oftmals die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz.

Die Geschäftsleitung ist gesetzliches Organ ihres Unternehmens. Sie vertritt dieses gegenüber den Gesellschaftern und Dritten. Damit trifft sie eine große Verantwortung gegenüber dem Unternehmen, dessen Geschäftspartnern und der Allgemeinheit. Sie muss daher ihr Handeln stets an der sog. Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nach § 15 b Abs. 1 S. 2 Insolvenzordnung (InsO) ausrichten. Diese Verantwortung wird bei Eintritt einer Unternehmenskrise noch relevanter, denn dann können dem Unternehmen und allen Beteiligten große Schäden entstehen, für die sie sich bei der Geschäftsleitung schadlos halten können. Die sieben Todsünden eines Geschäftsleiters sind:

  1. Insolvenzverschleppung,
  2. Vornahme sog. verbotener Zahlungen,
  3. Zahlungen an Gesellschafter und nahestehende Personen,
  4. Begründung neuer Verbindlichkeiten,
  5. Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen,
  6. Nichterfüllung steuerlicher Pflichten und
  7. Begehung von Insolvenzstraftaten.

1. Todsünde: Insolvenzverschleppung

Kaum ein Unternehmen wird über Nacht insolvent. Vielmehr wird oftmals aus einem unerwarteten Ereignis durch Verkettung von Problemen eine Krise, die im weiteren Verlauf in der Insolvenz endet. Es ist wichtig, dass der Geschäftsleiter frühzeitig die Anzeichen der Unternehmenskrise wahrnimmt und sein Handeln nach den geänderten Rahmenbedingungen ausrichtet. Erste Anzeichen einer Insolvenz sind:

  • sich verschlechternde Liquidität,
  • vermehrte Inanspruchnahme von Lieferantenkrediten,
  • Mahnungen,
  • Forderungsausfall (z. B. durch Kundeninsolvenz),
  • Rückforderung von Gesellschafterdarlehen oder
  • vermehrte Mitarbeiterkündigungen.

Essenziell ist dabei die Insolvenzprüfung. Droht das Unternehmen nämlich durch eine Krise zahlungsunfähig zu werden oder sich zu überschulden, muss der Geschäftsleiter unverzüglich, spätestens jedoch drei Wochen nach Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (§§ 17, 19 InsO) einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Ist mindestens die Hälfte des Stammkapitals verloren, muss der Geschäftsleiter zudem unverzüglich eine Gesellschafterversammlung einberufen. Vor allem aber ist der Geschäftsleiter verpflichtet, eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden bzw. zu beseitigen. Hierzu sind folgende Maßnahmen geeignet:

  • Rangrücktritt,
  • Gesellschafterdarlehen,
  • Forderungsverzicht,
  • ordentliche Kapitalerhöhung,
  • Stundungsvereinbarungen,
  • Forderungsabtretungen,
  • Kreditaufnahme,
  • sog. Sale and Lease back,
  • Bankmoratorien und
  • Gehaltsverzicht des Geschäftsleiters.

Welche Maßnahmen im Einzelfall möglich und sinnvoll sind, hat der Geschäftsleiter letztlich selbst zu entscheiden. Es ist aber sinnvoll, frühzeitig Hilfe von externen Beratern einzuholen. Für seine Haftung ist es von erheblicher Bedeutung, ob er später glaubhaft machen kann, dass er alles Mögliche getan hat, um eine Insolvenz zu verhindern und das in Abstimmung mit qualifizierten und versierten Beratern.

Stellt sich im Nachhinein heraus, dass das Unternehmen bereits längere Zeit vor dem Insolvenzantrag zahlungsunfähig oder überschuldet war, trifft den Geschäftsleiter die persönliche Haftung. Altgläubiger, also Personen, deren Forderungen vor dem Zeitpunkt der Insolvenzantragspflicht entstanden sind, werden nämlich über die Insolvenzquote befriedigt. Diese Quote liegt im Durchschnitt aller Unternehmensinsolvenzen bei unter fünf Prozent; eine Quote, die bei rechtzeitiger Antragstellung regelmäßig höher wäre. Für die Differenz zwischen tatsächlicher und möglicher Quote bei rechtzeitiger Antragstellung steht der Geschäftsleiter den Gläubigern mit seinem Privatvermögen ein.

2. Todsünde: Verbotene Zahlungen

In der Krise muss der Geschäftsleiter dafür sorgen, dass alle Unternehmensausgaben auf ein Minimum reduziert werden. Deshalb bringt grundsätzlich jede Zahlung oder sonstige Leistung, die der Geschäftsleiter vornimmt oder auch nur zulässt, die Gefahr seiner persönlichen Haftung mit sich. Das gilt im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft für masseschmälernde oder existenzvernichtende Zahlungen (die nach Insolvenzeröffnung vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden) sowie im Außenverhältnis gegenüber Neugläubigern (Gläubiger, deren Forderungen nach dem Zeitpunkt der gebotenen Insolvenzantragstellung entstanden sind), den Sozialversicherungsträgern und dem Fiskus (sog. Durchgriffshaftung). Er haftet nach § 15 b InsO ab dem Zeitpunkt der Insolvenzantragspflicht für alle Leistungen oder Lieferungen des Unternehmens, für die kein angemessener Gegenwert in die Insolvenzmasse geflossen ist (sog. Leistungen ohne Aktivtausch). Dies gilt auch für den director einer Limited mit tatsächlichem Sitz in Deutschland. Zu diesen sog. verbotenen Zahlungen gehören grundsätzlich

  • alle Zahlungen auf Forderungen, die älter als 30 Tage sind, weil es sich dann nicht mehr um ein sog. Bargeschäft handelt;
  • Zahlungen auf den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung, weil dieser kein Lohnbestandteil ist und auch kein Gegenwert in die Insolvenzmasse fließt;
  • masseschmälernde Lastschriftmandate;
  • andere Vermögensminderungen wie Warenlieferungen, die per Vorkasse bezahlt wurden, es sei denn, hierdurch kann eine Forderung gegen Dritte begründet werden, und sogar
  • Zahlungseingänge auf einem Konto mit Sollsaldo (sog. debitorisches Konto), da somit eine einseitige Gläubigerbevorzugung zu Gunsten der Bank erfolgt.
  • Bezahlen darf der Geschäftsleiter noch
  • den Kaufpreis für benötigtes Material innerhalb des Bargeschäftszeitraumes (z. B. zur Fertigstellung eines Bauvorhabens);
  • zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes notwendige Leistungen, wie z. B. Telefon-, Strom- oder Haftpflichtversicherungskosten;
  • den Steuerberater für die aktuelle Buchhaltung und beratende Rechtsanwälte / Wirtschaftsprüfer oder
  • von einem debitorischen Konto, solange dieses unbesichert ist,
  • weil diese Zahlungen grundsätzlich mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ vereinbar sind.

3. Todsünde: Zahlungen an Gesellschafter und nahestehende Personen

Vielfach ist der Geschäftsleiter versucht, Forderungen von Gesellschaftern, nahestehenden Personen (§ 138 InsO) oder bestimmten Geschäftspartnern aus persönlichen Gründen oder mit Hinblick auf die eigene Zukunft trotz Krise noch zu befriedigen. Solche Zahlungen in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag werden typischerweise jedoch mittels der Insolvenzanfechtung vom Insolvenzverwalter wieder zurückgefordert. Bei unmittelbarer Benachteiligung verlangt der Insolvenzverwalter sogar bis zu zwei Jahre rückwirkend Zahlungen zurück. Gleiches gilt für alle Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen der letzten zwölf Monate vor Insolvenzantrag (§§ 129 ff. InsO). Dies sorgt regelmäßig nicht nur für Verärgerung bei den Zahlungsempfängern, sondern kann auch zu einer persönlichen Haftung des Geschäftsleiters nach §§ 823 ff. BGB führen.

4. Todsünde: Begründung neuer Verbindlichkeiten

Gläubigern, deren Forderungen nach dem Zeitpunkt der gebotenen Insolvenzantragstellung entstanden und nicht beglichen sind oder deren bereits beglichene Forderungen wirksam nach §§ 129 ff. InsO vom Insolvenzverwalter angefochten wurden, haftet der Geschäftsleiter bei Insolvenzverschleppung in Höhe der ausgefallenen Forderung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 15 Abs. 1 InsO persönlich. Gerade diese Haftung ist oft Ursache einer privaten Insolvenz des Geschäftsleiters.

5. Todsünde: Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen

Der Geschäftsleiter haftet den Sozialversicherungsträgern grundsätzlich für die nicht abgeführten Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung persönlich. Das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen ist deshalb eine Todsünde, weil in einem möglichen späteren privaten Insolvenzverfahren des Geschäftsleiters keine Restschuldbefreiung erteilt werden wird. Hinzu kommt, dass das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen eine Straftat (Veruntreuung von Arbeitsentgelt) nach § 266 a Strafgesetzbuch (StGB) ist, die mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden kann.

6. Todsünde: Nichterfüllung steuerlicher Pflichten

Die 6. Todsünde eines Geschäftsleiters in der Unternehmenskrise und -insolvenz ist die Verletzung seiner steuerlichen Pflichten. Der Geschäftsleiter haftet nach § 69 Abgabenordung (AO) nämlich persönlich für nicht termingerecht erklärte und / oder abgeführte Steuern (insbesondere Umsatz- und Lohnsteuer). Dabei haftet er für den dem Fiskus dadurch entstandenen Schaden, wenn er nicht oder nicht termingerecht die Steuererklärungen des Unternehmens abgibt sowie die Abzugssteuern (insbesondere die Lohnsteuer) nicht einbehält und an den Staat abführt. Bei anderen Steuern gilt der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Reichen die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller Steuerschulden aus, so müssen Umsatz-, Gewerbe- oder Körperschaftssteuer – vereinfacht gesagt – nach dem prozentualen Anteil der geschuldeten Steuer an den Gesamtverbindlichkeiten des Unternehmens gezahlt werden. Zur Todsünde wird die Nichterfüllung steuerlicher Pflichten vor allem dadurch, dass dem Geschäftsleiter nicht nur ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung nach §§ 370 ff. AO droht, welche wie auch die Beitragsvorenthaltung mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden kann, sondern ihm in einem möglichen eigenen Insolvenzverfahren typischerweise keine Restschuldbefreiung erteilt werden wird.

7. Todsünde: Begehung von Insolvenzstraftaten

Die letzte potenzielle Todsünde eines Geschäftsleiters ist die Begehung von Insolvenzstraftaten. Dies auch deshalb, weil bei einer Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat zu einer Geldstrafe ab 90 Tagessätzen oder drei Monaten Haft die Restschuldbefreiung in einem, vielfach aus der persönlichen Haftung folgenden privaten Insolvenzverfahren ausgeschlossen ist (§ 297 InsO). Zudem kann im Verurteilungsfall der Geschäftsleiter für eine zukünftige Organstellung bei anderen Unternehmen ungeeignet sein (vgl. § 6 Abs. 2 GmbHG). Die wirtschaftliche Existenz des Geschäftsleiters ist in diesen Fällen zumeist weitestgehend vernichtet.

Zu diesen Straftaten gehört, neben der bereits genannten

  • Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt (§ 266 a StGB) und
  • Steuerhinterziehung nach §§ 370 ff. AO,

die Begehung folgender Taten:

  • Bankrottdelikte i. S. von § 283 StGB,
  • Gläubigerbegünstigung (§ 283 c StGB),
  • Insolvenzverschleppung (§ 15 a Abs. 4 InsO),
  • Untreue (§ 266 StGB) und
  • Betrug (§ 263 StGB),

wenn sie im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Krise des Unternehmens durch den Geschäftsleiter begangen werden.

Um den vorgenannten Gefahren und Risiken schon vor einer Krise zu begegnen, empfiehlt sich für jeden Geschäftsleiter externe Beratung, um sich persönlich abzusichern. Das besonders, wenn sich bereits erste Anzeichen einer Unternehmenskrise zeigen. Berater in dieser Zeit können spezialisierte Rechtsanwälte und Steuerberater sein.

Unternehmenskrisen können für Geschäftsleiter hohe persönliche Haftungsrisiken darstellen. Die rechtzeitige Inanspruchnahme von Beratung kann dieses mindern.

Gerne steht Ihnen Dr. Thomas Hausbeck und das Insolvenzrechtsteam von SKW Schwarz für Fragen im Zusammenhang mit Haftungsgefahren für den oder die Geschäftsleiter in der Unternehmenskrise zur Seite.

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