Vermögende Privatpersonen haben zwei Möglichkeiten: entweder nutzen und behalten sie ihr Vermögen bis zum Eintritt des Erbfalls, ohne ihre Nachkommen zu Lebzeiten daran teilhaben zu lassen, oder sie folgen dem Sprichwort „Mit warmer Hand schenken ist besser als mit kalter Hand“.
Dabei spricht gerade aus steuerlicher Sicht viel für lebzeitige Zuwendungen und die vorweggenommene Erbfolge. So steht jedem Elternteil pro Kind alle 10 Jahre ein Schenkungssteuer-Freibetrag von EUR 400.000 zur Verfügung. Auf diese Weise kann bereits zu Lebzeiten wesentliches Vermögen auf die nächste Generation übertragen werden, ohne dass es bei Erbfall zu einer substanziellen Erbschaftsteuer-Belastung in Bezug auf den gesamten Nachlass kommt. Zwar gelten auch für den Erbfall die Freibeträge von EUR 400.000 pro Kind und Elternteil, aber die Erbschaftsteuer-Bemessungsgrundlage ohne Minderung durch lebzeitige Übertragungen ist ungleich höher, von der damit verbundenen Steuersatz-Progression mal abgesehen. Außerdem hätte sich der Erblasser der Möglichkeit beraubt, bereits zu Lebzeiten die 400.000 EUR-Freibeträge mehrfach zu nutzen.
Dennoch dürfen auch bei der – ansonsten sehr lobenswerten – steueroptimierten Nachfolgeplanung durch lebzeitige Übertragungen wesentliche erbrechtliche Gesichtspunkte nicht vollständig außer Betracht gelassen werden. Vor jeder Schenkung zu Lebzeiten sollte sich daher der Übertragende die AAA-Punkte ins Gedächtnis rufen: Ausgleichung, Anrechnung, Auflösende Bedingung.
Die Ausgleichung nach §§ 2050 BGB betrifft die Fälle der gesetzlichen Erbfolge, d.h. die Erbfälle, bei denen der Erblasser keine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) hinterlassen hat, mithin immer noch der deutliche Großteil aller Erbfälle. Für diese Fälle regelt das Gesetz eine Ausgleichungspflicht für die Abkömmlinge, die zu Lebzeiten vom Erblasser eine „Ausstattung“ erhalten haben, soweit der Erblasser bei der Zuwendung nichts anderes angeordnet hat. Als „Ausstattung“ gelten dabei alle Zuwendungen aufgrund Verheiratung oder „Erlangung einer selbständigen Lebensstellung“, also die Begründung eines eigenen Haushalts. Praktisch bedeutet dies, dass diese Zuwendung bei der Verteilung des Nachlasses auf Seiten des Empfängers, quasi als „Vorab“, berücksichtigt werden muss.
Genau umgekehrt verhält es sich bei allen anderen Zuwendungen, diese sind nur dann bei der Verteilung zu berücksichtigen, wenn der Erblasser dies bei der Zuwendung so angeordnet hat. Ohne entsprechende Anordnung besteht auch keine Ausgleichungsverpflichtung des Empfängers. Eine nachträgliche Anordnung des Erblassers ist nicht ausreichend. Dies wird vom Gesetzgeber damit begründet, dass der Empfänger der Zuwendung rechtzeitig wissen muss, ob die Annahme der Zuwendung bei Eintritt des Erbfalls seine Rechtsposition gegenüber den anderen gesetzlichen Erben beeinträchtigt.
Die Anrechnung nach § 2315 BGB gilt dagegen für Fälle, in denen gerade nicht die gesetzliche Erbfolge eingreift, sondern Pflichtteilsberechtigte aufgrund letztwilliger Verfügung des Erblassers von der Erbfolge ausgeschlossen werden. Macht ein Pflichtteilsberechtigter daraufhin seinen Pflichtteil geltend, hat er sich eine vorherige lebzeitige Zuwendung nur dann anrechnen zu lassen, wenn der Erblasser bei der Zuwendung ausdrücklich die Anrechnung bestimmt hat. Dagegen ist eine Ausgleichung auch aufgrund Gesetzes möglich.
In der Praxis wird eine derartige Bestimmung höchst selten sein. Den Beteiligten ist vielfach nicht bekannt, dass die Anrechnung der Zuwendung angeordnet werden muss. Oftmals gehen Eltern und Kinder im Gegenteil davon aus, dass die Anrechnung in jedem Fall kraft Gesetzes stattfindet, weil dies auch einem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden entspricht. Nichtsdestotrotz klafft auch hier eine Lücke zwischen Gerechtigkeitsempfinden und Rechtslage.
Anrechnung und Ausgleichung unterscheiden sich auch insoweit voneinander, als eine Ausgleichung nur unter Abkömmlingen möglich ist. Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten erstreckt sich dagegen auch auf Ehegatten und Eltern (soweit keine Abkömmlinge vorhanden sind).
Während eine Ausgleichung nur bei Vorhandensein von mindestens zwei Abkömmlingen möglich ist, die bei gesetzlicher Erbfolge berufen wären, kann die Anrechnung auch einen Pflichtteilsberechtigten treffen, der bei gesetzlicher Erbfolge Alleinerbe wäre.
Zusätzlich zur Ausgleichung und Anrechnung sollte sich ein Schenker bei der Zuwendung auch Gedanken über eine auflösende Bedingung machen. Dies bedeutet, dass bei Eintritt dieser Bedingung die Wirkung der Schenkung endet und der Rechtszustand vor der Schenkung wiederhergestellt wird. Praktisch bedeutsam ist das insbesondere in den Fällen, in denen der Beschenkte vor dem Schenker stirbt, in die Insolvenz gerät, oder aber sich für eine Lebensweise entscheidet, die den Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Schenkung widerspricht. Aus diesem Grund enthalten notarielle Grundstücksübertragungsverträge zwischen Eltern und Kindern in der Regel Widerrufsrechte zu Gunsten der Schenker für den Fall, der der Beschenkte z.B. der Drogen- oder Alkoholsucht verfällt oder sich einer vom Verfassungsschutz beobachteten Partei oder Organisation anschließt. Da sofort vollzogene Schenkungen (z.B. bei Bargeld) auch ohne notarielle Form wirksam sind, dürften derlei auflösende Bedingungen die absolute Ausnahme sein. Dennoch ist eine Schenkung unter auflösender Bedingung dringend anzuraten, um im Nachgang unerfreuliche Entwicklungen auf Seiten des Beschenkten und eine Aushebelung der Motivation des Schenkers zu vermeiden.
Insgesamt gilt, dass eine Schenkung nie ohne vorherige Beratung durchgeführt werden sollte.