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12.09.2024

BGH – UWG-Beseitigungsanspruch bei Verbandsklage umfasst nicht Rückzahlungsanspruch auf zu Unrecht einbehaltene Geldbeträge an Verbraucher

Wenn ein Unternehmen Verbraucher:innen zu Unrecht, zum Beispiel auf Basis unwirksamer AGB, minimale Beträge in Rechnung stellt, werden diese trotz fehlenden Rechtsgrundes von den Verbraucher:innen selten zurückgefordert. Umstritten war, ob der im UWG enthaltene Beseitigungsanspruch, den auch qualifizierte Verbände durchsetzen können, auch einen Rückzahlungsanspruch in Bezug auf die einbehaltenen Beträge beinhaltet. Im Falle einer Payout-Fee für Restguthaben auf einem Bezahlarmband beschäftigte sich nun der Bundesgerichtshof (BGH) mit dieser Frage.

Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen in Deutschland, klagte gegen einen Konzertveranstalter auf (Folgen-)Beseitigung durch Rückzahlung einer Rückerstattungsgebühr (Payout-Fee) in Höhe von 2,50 €, die den Besuchern eines Festivals bei der Rücküberweisung des Restguthabens ihrer Cashless-Armbänder, die sie zuvor zur Bezahlung auf dem Festival erworben hatten, abgezogen wurde.

Einbehaltung zu Unrecht gezahlter Gebühren als Aufrechterhalten eines Störungszustandes?

Die Einbehaltung der Payout-Fee beruhe nach Ansicht des Klägers auf einer unwirksamen AGB-Klausel, wegen derer der Kläger den Beklagten bereits vorgerichtlich abgemahnt und eine Unterlassungserklärung eingeholt hatte. Nach Ansicht der Verbraucherschützer handele es sich bei der Auszahlung nicht um eine vergütungsfähige Leistung des Beklagten, sondern um eine nicht zu vergütende Erfüllung einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung. Indem der Beklagte die Payout-Fee nicht zurückzahle, halte er einen Störungszustand aufrecht, dessen Beseitigung der Verbraucherverband im Namen der Verbraucher einzuklagen berechtigt sei. Der Anspruch ergebe sich aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3, 3a UWG i.V.m. § 307 Abs. 1 BGB als auch aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG. Zur Geltendmachung des Anspruchs müsse der Verband weder die auszuzahlenden Beträge noch die berechtigten Verbraucher konkret benennen.

Grundsatzfrage: Wie weit reicht der (Folgen-)Beseitigungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 S. 1 UWG?

Das Landgericht Rostock wies die Klage ab, da dem Kläger die Rechtsgrundlage für den geforderten Zahlungsanspruch fehle. Das Oberlandesgericht Rostock bestätigte diese Entscheidung und wies die Berufung des Klägers zurück, da der geforderte Rückzahlungsanspruch nicht die vom Schutzzweck des § 8 Abs. 1 S. 1 UWG umfassten Kollektivinteressen der Verbraucher betreffe. Die Revision wurde zugelassen, um die grundsätzliche Frage zu klären, ob Verbraucherschutzverbände im Wege eines Beseitigungsanspruchs nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG Rückerstattungsansprüche zugunsten der betroffenen Verbraucher:innen geltend machen können.

Systematik des kollektiven Rechtsschutzes im UWG sperrt verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch

Dem erteilte der BGH nun eine endgültige Absage (Urteil vom 11. September 2024 - I ZR 168/23). Zwar sei die streitgegenständliche AGB-Klausel unwirksam, weil es sich, wie der Kläger vortrug, um keine eigenständige vergütungsfähige Leistung, sondern eine ohnehin bestehende vertragliche Verpflichtung handelte. Einen Rückzahlungsanspruch könne der Kläger aber aus systematischen Gründen nicht geltend machen. Sowohl der Gewinnabschöpfungsanspruch zu Gunsten des Bundeshaushalts als auch der Verbraucherschadensersatzanspruch im UWG seien verschuldensabhängig. Mit der Abhilfeklage könnten Verbraucherverbände den Anspruch der Verbraucher auf Leistung geltend machen. Ein darüberhinausgehender, verschuldensunabhängiger Beseitigungsanspruch auf Rückzahlung zu Unrecht einbehaltener Geldbeträge, die einer Vielzahl an Verbrauchern zustehen, aus § 8 Abs. 1 S. 1 Fall 1 UWG würde diesem System des kollektiven Rechtsschutzes zuwiderlaufen.

Gewinnabschöpfung in § 10 UWG nimmt den Anreiz für „Streuschäden“

Das OLG hatte zur Begründung dieser nun vom BGH bestätigten Sperrwirkung die Gesetzesbegründung zur Neufassung des UWG herangezogen. Dort wird nämlich zur Durchsetzung von Schäden im Bagatellbereich bei einer Vielzahl von Geschädigten, die wegen einer gewissen „Trägheitsschwelle“ der Verbraucher nicht einzeln eingeklagt werden (sog. „Streuschäden“), gerade der Gewinnherausgabeanspruch aus § 10 UWG angeführt, um ein Marktversagen („Unlauterer Wettbewerb lohnt sich immer“) zu korrigieren (OLG Rostock, Urt. v. 15.11.2023 - 2 U 15/21; BT-Drs. 15/1487, S. 22 f.) Der Gesetzgeber hat demnach das Problem der Streuschäden erkannt und in der Gewinnabschöpfung, § 10 UWG, einen ausreichenden Behelf gesehen.

Fazit: Praxisgerechte Klarstellung verhindert übermäßigen Rückzahlungsaufwand

Die Feststellungen des BGH zum rechtlichen status quo dürften durchaus praxisgerecht sein und gleichzeitig einen gerechten Interessenausgleich gewährleisten. Einerseits können Verwender unwirksamer AGB möglicherweise zu Unrecht einbehaltene Beträge auf entsprechenden Antrag des Klägers im Sinne des § 10 UWG hin als Ganzes abführen und dabei ihre tatsächlichen Ausgaben gegenrechnen. Andererseits „lohnt“ sich wettbewerbswidriges Verhalten durch den ausbleibenden Gewinn nicht, sodass auch die abschreckende Wirkung des § 10 UWG den Verbraucher:innen zugutekommen kann. Den Unternehmen bleibt dadurch erspart, viele hundert einzelne Zahlungen koordinieren und leisten zu müssen.

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