Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit am 24.04.2025 veröffentlichtem Urteil vom 3.12.2024 (Az.: IX R 32/22) entschieden, dass sich nicht nur Familienstiftungen mit Sitz in der Europäischen Union (EU) bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) auf die Ausnahme von der Zurechnungsbesteuerung berufen können, sondern auch Familienstiftungen mit Sitz in Drittländern.
Einführung
Neben inländischen Familienstiftungen sind auch ausländische Familienstiftungen ein beliebtes Gestaltungsvehikel in der Nachfolgeplanung, um das Familienvermögen generationsübergreifend zu erhalten. Um allerdings zu verhindern, dass zum Zweck der Steuervermeidung oder gar Steuerflucht ausländische Familienstiftungen gegründet werden, sieht das deutsche Außensteuergesetz (AStG) die sog. Zurechnungsbesteuerung vor (§ 15 Abs. 1 AStG). Danach werden grundsätzlich das Vermögen und die Einkünfte einer ausländischen Familienstiftung dem in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter, ersatzweise den unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugs- / Anfallsberechtigten ertragsteuerlich zugerechnet (§ 15 Abs. 1 und 2 AStG; sog. Zurechnungsbesteuerung).
Die Zurechnungsbesteuerung findet jedoch nicht statt, wenn nachgewiesen wird, dass das Stiftungsvermögen dem Stifter und dessen Angehörigen rechtlich und tatsächlich entzogen ist und zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Sitzstaat der Familienstiftung ein zwischenstaatlicher Informationsaustausch stattfindet (§ 15 Abs. 6 AStG; sog. Escape-Klausel). Weiteres Tatbestandsmerkmal dieser Escape-Klausel ist , dass die ausländische Familienstiftung ihre „Geschäftsleitung oder [ihren] Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens“ (§ 15 Abs. 6 AStG) hat.
Entscheidung
Diese Einschränkung der Escape-Klausel auf ausländische Familienstiftungen mit Sitz/Geschäftsleitung in der EU/dem EWR verstößt nach Auffassung des BFH gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. „Denn die Kapitalverkehrsfreiheit gilt nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten, sondern auch zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern (Art. 63 Abs. 1 AEUV). Zur Abwendung dieses Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit ist das „europarechtswidrige Tatbestandsmerkmal“ wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht zu beachten […], so dass § 15 Abs. 6 [AStG] auch auf Familienstiftung mit Geschäftsleitung oder Sitz in einem Drittstaat Anwendung findet“ (BFH, Urt. v. 3.12.2024 – IX R 32/22, Rz. 59 f.).
Praxisrelevanz
Dieses Urteil ist für die Praxis grundsätzlich erfreulich, da es neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Es könnte zum einen Relevanz für Schweizer Familienunterhaltsstiftungen haben, da derzeit die Aufhebung des Verbots von Familienunterhaltsstiftungen (Art. 335 ZGB) diskutiert und geprüft wird (vgl. Motion 22.4445 „Die Schweizer Familienstiftung stärken. Verbot der Unterhaltsstiftung aufheben“).
Zum anderen ist das Urteil für Begünstigte von intransparenten Trusts aus dem Common-Law-Raum relevant (vgl. BFH, Pressemitteilung vom 24.04.2025). Dies folgt daraus, dass sonstige Zweckvermögen, Vermögensmassen und rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Personenvereinigungen den Familienstiftungen gleichgestellt werden (§ 15 Abs. 4 AStG). Hierunter fallen intransparente Trusts. Damit intransparente Trusts jedoch von der Escape-Klausel profitieren, muss nachgewiesen werden, dass deren Statuten die Vorgaben des § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG erfüllen. Dies dürfte bei sog. irrevocable discretionary Trusts der Fall sein, sofern der settlor (Errichter) und die beneficiaries (Begünstigte) vollständig von der Verfügungsmacht über das Trustvermögen ausgeschlossen sind.
Es bleibt abzuwarten, wie die unterlegene Finanzverwaltung auf dieses Urteil reagiert.