Die Zahl neuer Erkrankungen durch das COVID-19 (Coronavirus SARS-CoV-2) steigt. Inzwischen hat das Robert-Koch-Institut mehrere hundert Infektionsfälle in Deutschland bestätigt. Verständlicherweise haben Arbeitnehmer zunehmend Sorgen, sich am Arbeitsplatz anzustecken.
Arbeitgebern wie Arbeitnehmern stellt sich daher die Frage, welche besonderen Verhaltensregeln und Handlungsoptionen für sie angesichts der aktuelle Ausbreitung des Coronavirus bestehen.
I. Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers
Grundsätzlich sind Arbeitnehmer trotz eventueller Ansteckungssorgen weiterhin zur Arbeitsleistung verpflichtet. Alleine aus Angst vor dem Coronavirus und zum Zwecke des Selbstschutzes darf der Arbeitnehmer nicht von der Arbeit fernbleiben. Eine einvernehmliche Freistellung ohne Bezahlung können die Arbeitsvertragsparteien freilich jederzeit vereinbaren, und auch mit einer Urlaubsgewährung auf Wunsch des Arbeitnehmers kann individuellen Ansteckungssorgen Rechnung gegebenenfalls getragen werden.
- Mitarbeiter haben allerdings keinen Anspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber, im Home-Office arbeiten zu dürfen. Über Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung entscheidet der Arbeitgeber gemäß § 611a BGB, § 106 GewO nach billigem Ermessen. Ausnahmsweise kann sich ein Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office nur aus dem Arbeitsvertrag des Mitarbeiters oder aus einer einschlägigen Kollektivvereinbarung ergeben.
- Zur Arbeitsleistung gehören auch Geschäftsreisen. Sogar für Reisen in die Gebiete mit Infektions-Fällen besteht kein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht. Solange keine Reisewarnungen des Auswärtigen Amts vorliegen, kann der Arbeitnehmer seine Leistung nicht wegen Unzumutbarkeit nach § 275 Abs. 3 BGB verweigern. Dafür müsste er schon besondere Risiken, beispielsweise eine ihn besonders gefährdende Vorerkrankung, darlegen. Der Arbeitnehmer sollte zumindest den Arbeitgeber auf seine besonderen gesundheitlichen Risiken hinweisen, da der Arbeitgeber zum Schutz der Gesundheit seiner Mitarbeiter verpflichtet ist.
Bei einer Ansteckung mit dem Coronavirus ist der Arbeitnehmer dazu verpflichtet, sich umgehend beim Arbeitgeber arbeitsunfähig zu melden. Die Art der Erkrankung muss er bei einer Erkrankung zwar grundsätzlich nicht mitteilen. Bei einer Infektion mit dem Coronavirus dürfte aufgrund der allgemeinen arbeitsrechtlichen Treupflicht aber möglicherweise eine Informationspflicht des Arbeitnehmers über die Art der Erkrankung folgen, wenn die nicht nur abstrakte Möglichkeit besteht, dass er bereits andere Kollegen oder Kunden angesteckt haben könnte. Es handelt sich um eine hochansteckende und gefährliche Krankheit, die entsprechende Schutzmaßnahmen gegen deren Verbreitung verlangt.
- Ist der Arbeitnehmer infolge einer Krankheit arbeitsunfähig, so hat er Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. Ein solcher Anspruch kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn den Arbeitnehmer hinsichtlich der Erkrankung kein Verschulden trifft. Ein solches Verschulden ist zum Beispiel anzunehmen, wenn der Mitarbeiter im Rahmen einer Privatreise gegen eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts verstoßen hat.
- Ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht jedoch nicht bei dem Verdacht einer Infektion. Die zuständigen Behörden können zwar Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten treffen und erkrankte Personen beispielsweise unter Beobachtung oder gar Quarantäne stellen (§§ 29, 30 Infektionsschutzgesetz – IfSG). Es kann zudem ein berufliches Tätigkeitsverbot nach § 31 IfSG ausgesprochen werden. Der Arbeitnehmer hat in diesen Fällen, wenn er einen Verdienstausfall erleidet, einen Entschädigungsanspruch nach näherer Maßgabe von § 56 Abs. 1, 5 IfSG. Der Arbeitgeber ist zur Vorleistung dieser Entschädigung verpflichtet. Auf Antrag kann er bei den zuständigen Behörden jedoch Erstattung verlangen.
Falls aus Vorsicht vor dem Coronavirus Schulen und Kindergärten geschlossen bleiben, können die betroffenen Eltern für die Betreuung ihrer Kinder sorgen. Ihr Entgeltfortzahlungsanspruch richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des § 616 BGB und wird, falls der Anspruch nicht vertraglich ausgeschlossen ist, daher lediglich über eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit gezahlt.
Bei der Schließung öffentlicher Verkehrsmittel sollten die Arbeitnehmer eine Alternative suchen, da das Wegerisiko beim Arbeitnehmer liegt. Der Arbeitgeber könnte in diesem Fall von den Mitarbeitern verlangen, nachzuarbeiten, oder ansonsten die Abwesenheitszeiten vom Gehalt abziehen.
II. Rechte und Pflichten des Arbeitgebers
Dem Arbeitgeber steht das Direktions- bzw. Weisungsrecht zu, um Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistungen nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Außerdem trifft den Arbeitgeber eine allgemeine Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) und eine besondere Fürsorgepflicht (§ 618 BGB) gegenüber seinen Mitarbeitern.
Im Falle einer Pandemie gelten Besonderheiten bezüglich der Schutzpflichten des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber kann zu besonderen Schutzmaßnahmen verpflichtet sein und hat möglicherweise ein eigenständiges Schutzkonzept auszuarbeiten, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Es kann daher – bei einer weiteren Erhöhung der Gefährdungslage – ggf. notwendig werden, einen „Pandemieplan“ aufzustellen oder vorsorglich eine Rahmenbetriebsvereinbarung für den Pandemiefall zu schließen.
- Zu den besonderen Schutzmaßnahmen zählen zuerst Vorsichts- und Aufklärungsmaßnahmen. Arbeitgeber sollten die Arbeitnehmer auf richtiges Hygieneverhalten hinweisen. Dabei sollten sie Arbeitnehmer dazu anhalten, sich nach den Hinweisen des Robert-Koch-Instituts zu verhalten, also insbesondere regelmäßig die Hände zu waschen oder diese zu desinfizieren. Aus eigenem Interesse, mögliche Übertragungswege einzudämmen, könnte der Arbeitgeber Desinfektionsmittel oder Atemschutzmasken bereitstellen.
- Die Vorsichts- und Aufklärungsmaßnahmen sind an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit zu messen. Derzeit besteht mangels akuter Gefährdungslage keine generelle Notwendigkeit, einen Mundschutz im Betrieb zu tragen oder unmittelbaren Kontakt zwischen Mitarbeitern zu untersagen. Andererseits kann das in besonderen Fällen, zum Beispiel bei der Arbeit im Gesundheitswesen oder Transport, notwendig sein bzw. bei einer Zuspitzung der Gefährdungslage werden.
Wenn der Arbeitgeber Kenntnis von der Erkrankung eines Arbeitnehmers oder jedenfalls konkrete Hinweise auf Infektionsrisiken im Betrieb besitzt, muss er seine Mitarbeiter über die bestehenden Infektions- und Erkrankungsrisiken aufklären. Des Weiteren muss der Arbeitgeber über Vorsorgemaßnahmen und erforderliches Verhalten informieren. Um seinen Informations- und Aufklärungspflichten nachzugehen, darf der Arbeitgeber insbesondere danach fragen, ob sich ein erkrankter Mitarbeiter kürzlich in einem Risikogebiet aufgehalten hat, und sollte die Belegschaft auffordern, entsprechende Reisen anzuzeigen und vor Rückkehr aus einem Risikogebiet telefonisch oder per Email Kontakt mit dem Arbeitgeber aufzunehmen.
Bei ernst zu nehmenden Corona-Verdachtsfällen ist dem Arbeitgeber wegen der extrem hohen Ausbreitungsgefahr der Infektion eine Meldung an das Gesundheitsamt entsprechend § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 IfSG dringend anzuraten. Dabei sind der zuständigen Gesundheitsbehörde alle Fälle (Personen unter weiterer Abklärung, wahrscheinliche Fälle und bestätigte Fälle) namentlich zu melden.
- Der betroffene Mitarbeiter soll sich getrennt von anderen Personen aufhalten, bis er zu einer geeigneten Corona-Teststelle gelangen kann. Der betroffene Mitarbeiter sollte bis zum Untersuchungsergebnis bezahlt freigestellt werden. Zudem ist durch entsprechende Befragungen der Kreis der Personen zu ermitteln, die unmittelbaren Kontakt zu der betroffenen Person hatten. Auch sie müssen zu einer Corona-Teststelle geschickt werden.
- Schließlich muss der Arbeitgeber bei einer konkreten Gefahrenlage Maßnahmen zum Schutz aller übrigen Mitarbeiter treffen. Wenn der Arbeitsvertrag dies vorsieht, kann der Arbeitgeber Arbeit im Home Office anordnen. Ansonsten kann sich der Arbeitgeber mit seinen Mitarbeitern für diese besondere Situation jederzeit auf freiwilliger Basis darauf einigen.
Fällt eine Vielzahl der Arbeitnehmer aus, kann der Arbeitgeber gegebenenfalls Kurzarbeit in Erwägung ziehen, um die Personalkosten zu reduzieren und damit die wirtschaftlichen Folgen für den Betrieb abzumildern. Umgekehrt könnte der Arbeitgeber die verbliebenen Arbeitnehmer zum Ableisten von Überstunden verpflichten, wenn ein Projekt oder ein Auftrag sonst nicht frist- und ordnungsgemäß erfüllt werden kann.
Im schlimmsten Falleiner erforderlichen Betriebsschließung müssten die Mitarbeiter bezahlt von der Arbeit freigestellt werden, bis die Gefahr vorüber ist. Die Lohnzahlungspflicht besteht fort, weil die von der Schließung betroffenen Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitsbereit sind und der Arbeitgeber sie aus Gründen nicht beschäftigen, die seiner betrieblichen Sphäre zugeordnet werden. Eine kurzfristig entstandene Epidemie-Situation rechtfertigt regelmäßig wohl auch keine Anordnung von Betriebsferien. Der Arbeitgeber kann nicht darauf bestehen, dass die infolge einer Schließung ausgefallenen Arbeitszeiten nachgearbeitet werden.
Bei behördlich angeordneten Beschäftigungsverboten oder Quarantänen erhält der Arbeitgeber auf Antrag (s.o.) von der zuständigen Behörde die an den betroffenen Arbeitnehmer geleistete Entschädigungszahlung zurück.
III. Fazit
Angesichts der fortschreitenden Ausbreitung des Coronavirus sind nunmehr besondere Vorkehrungen sowohl auf der Seite des Arbeitgebers als auch auf der Seite des Arbeitnehmers ratsam. Vieles davon sollte sich angesichts der parallel laufenden Interessen, Infektionen zu vermeiden, im Sinne eines vernünftigen Umgangs miteinander einvernehmlich lösen lassen.
Stand: 13.03.2020